Zaehme mich
sie unerwartet zart. Sein sanfter Mund passte überhaupt nicht zu dem grausamen Fingernagel in ihrem Nabel. Sie ignorierte den Schmerz und erwiderte seinen Kuss.
Nach einigen Augenblicken fing er an zu stöhnen, doch ohne die Hand von ihrem Bauch zu nehmen. Sarah küsste ihn fester, und er fing an, ihren fleecebedeckten Schenkel zu bespringen.
»Ja, genau.« Sarah brach den Kuss ab. »Ich bin das verkommene Luder, ich treibe dich dazu, dass du deinen Schwanz an meinem Bein reibst. Warum gibst du nicht zu, dass du ein total versauter Perversling bist?«
Daniel hörte auf, sich an ihr zu reiben. Die Hand flach auf ihrem Bauch, lag er neben ihr und setzte ein Lächeln auf, das ihn sehr alt und sehr süß aussehen ließ. »Früher habe ich gedacht, dass es pervers ist, wenn ich es nicht nach dem Zubettgehen, sondern am Morgen mit Lisa mache. Dann habe ich an einem Nachmittag im Winter mit einem kleinen Schulmädchen geschlafen, und alles hat sich verändert. Eine ganze Welt von Möglichkeiten hat sich mir eröffnet. Mit dir würde mir kein Ort, keine Zeit und keine Handlung falsch erscheinen.«
»Ich liebe dich.«
Daniel stupste den Finger in ihren Nabel.
»Warum machst du das ständig?«
Er lachte und stupste fester. Sarah fing an zu weinen. Nicht aus körperlichem Schmerz – schließlich stupste er sie nur –, sondern aufgrund der Einsicht, dass er immer seinen eigenen Kopf durchsetzen würde, auch wenn sich Sarah für noch so intelligent hielt.
Stups.
»Hör endlich auf damit! Warum bist du so gemein zu mir?«
»Wenn es dir nicht passt, dann musst du mich eben davon abhalten.« Wieder stieß Daniel zu.
Er hatte gewonnen. Sie schlug seine Hand weg, setzte sich auf ihn und drückte mit den Knien seine Arme nieder. Ungefähr eine halbe Sekunde durfte sie ihren Triumph auskosten, dann schob er sie zur Seite und drehte ihr die Arme auf den Rücken. Er sagte, dass es ihm gefiel, wenn sie sich wehrte, und sie wollte ihm zu verstehen geben, dass es für sie kein Spiel war, doch er redete einfach weiter. Sie gab etwas zwischen hör auf und bitte von sich, aber es klang eher nach einem Wimmern. Er ohrfeigte sie und befahl ihr, sich nicht wie ein Baby zu benehmen. Sag mir, was du willst, forderte er. Sie brachte kein Wort heraus. Er schlug ihr wieder ins Gesicht. Du musst es sagen, sonst weiß ich es nicht. Er ohrfeigte sie, bis sie nur noch kreischen konnte, und dann, um sie wirklich vollends aus der Fassung zu bringen, wälzte er sich von ihr herunter und setzte sich auf die Bettkante, ohne sie zu berühren.
»Bitte«, sagte Sarah.
»Bitte was?« Er klang sehr weit weg.
Bitte was? Ihr wurde schwarz vor Augen. Bitte berühr mich. Bitte lass mich in Ruhe. Bitte, Daniel, bitte. Bitte mach es, damit ich vergessen kann, damit ich mich nicht mehr so schlecht fühle, bitte sei nicht so gemein, bitte schlag mich wieder K.O. oder bring mich um oder küss mich. Bitte tu mir nicht weh. Als sie wieder sprach, tat sie es mit lauter und klarer Stimme.
»Bitte lass mich Jamie anrufen.«
Er starrte sie an, bis sie seinem Blick nicht mehr standhalten konnte und die Augen schloss. Dann erhob er sich und ging weg.
Mehrere Minuten wartete Sarah im Schlafzimmer, doch als er nicht zurückkam, stand sie auf, um nach ihm zu sehen. Die Wohnung war leer. Sie nahm den Aufzug hinunter zur Tiefgarage und stellte fest, dass sein Auto verschwunden war. Auf dem Weg zurück im Lift fragte eine Frau mit Sommerhut, ob mit Sarah alles in Ordnung war. Sarah versagte die Stimme, und so nickte sie nur und hustete. Die Frau wandte den Blick ab.
Wieder oben erkannte Sarah, warum die Frau sie so besorgt angesehen hatte. Ihr Haar war ein schwarzes Gewirr, aus dem einzelne Strähnen abstanden wie gegelt oder geklebt. Ihr leichenblasses Gesicht zeigte rote Flecken, gelbe Blutergüsse und violette Tränensäcke. Sie hatte ihr ärmelloses rosa Hemd und die dunkelblaue Trainingshose an, und ihre Arme waren ganz schwarz und blau. Sie sah aus wie ein Junkie oder ein Rockstar. Wo war das gesunde, geheimnisvolle innere Leuchten, das sich bei Verliebten angeblich immer einstellte?
Daniel war verschwunden.
Sarah duschte sich und rasierte sich Arme, Beine und Bikinizone; furchtbar, wie stachlig sie schon war. Sie wusch und spülte ihr Haar, kämmte sich alle Knoten heraus und flocht es sorgfältig zu einem Zopf, um dessen Ende sie ein rotes Band schlang. Unter dem Waschbecken fand sie eine Flasche Dettol, und sie klatschte sich das Desinfektionsmittel auf den
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