Zaehme mich
erlebst.«
Sarah erinnerte sich noch an all die ersten Male mit ihm, es war schon eine Ewigkeit her. Es machte sie traurig, dass so viel Zeit verschwendet worden war. Dies hier war von Anfang an ihre Bestimmung gewesen.
2
Die folgenden Tage standen im Zeichen des Erforschens und Entdeckens. Ein Nebel aus Gliedmaßen, geflüsterten Worten, Schatten. Für Sarah war es, als würde sie herausfinden, wozu ihr Körper da war. Ihre Arme existierten, um sich über Daniel abzustützen, ihre Hände, um zuzupacken, zu drücken, zu streicheln und zu boxen. Ihr Hals existierte, um zu brüllen und zu kreischen.
In einer Nacht, die auch ein Morgen hätte sein können, erzählte ihr Daniel, dass er dies schon seit Jahren geplant hatte. Ihre völlige Unterwerfung war alles, was er je gewollt hatte. Endlich hatte sie ihre Jungfräulichkeit verloren.
»Die hast du mir doch schon vor Jahren genommen«, erinnerte ihn Sarah.
»Damals warst du eine Jungfrau im modernen Sinn des Wortes. Aber du warst keine wahre Jungfrau im klassischen Sinn. Erst jetzt gehörst du mir wirklich.«
»Im klassischen Sinn? Du meinst eine Opferjungfrau?«
Der Klang dieses Wortes gefiel Sarah, und so bot sie sich ihm erneut dar. Er nahm sie, langsam nur, weil ihm inzwischen jede Bewegung schwer fiel. Stunden später, als sich seine müden Glieder nicht mehr zum Handeln zwingen ließen, fuhr Daniel fort, als hätte es keine Unterbrechung gegeben.
»Das lateinische Wort für Jungfrau, Virgo, leitet sich aus den lateinischen und griechischen Begriffen für Mann und Frau ab. Es bedeutet Hermaphrodit, also ein Zwitterwesen, das sich selbst genügt. Ganz früher hat man mit diesem Wort eine Frau oder eine Göttin wie Diana bezeichnet, die selbständig war. Eine Frau, die sich weigerte, einem Mann zu gehören.«
»So wie ich.«
Daniel wälzte sich wuchtig auf sie. »Du, mit all deinen Männern, und trotzdem eine Jungfrau.«
Sarah versuchte zu lächeln, doch das klappte nicht so gut wie das Reden. Ihr Kiefer schmerzte. »Ironie des Schicksals.«
»Vergangenheit. Du gehörst jetzt mir.« Daniel war wieder in ihr, blieb aber regungslos. Sie dämmerte weg.
Sie schliefen nur wenig. Wenn der Geruch und die Klebrigkeit von Sperma und Blut und Schweiß zu überwältigend wurden, stolperten sie in die Dusche und klatschten sich gegenseitig blind und schwach Seife auf den Körper. Sarahs Arme waren schwer, Rücken und Hals schmerzten. Daniel klagte, dass ihm die Knochen wehtaten, und dass seine Knie kaputt waren. Zusammen ließen sie sich aufs Bett, auf den Boden, das Sofa, den Balkon fallen, aber sie schafften es nie, längere Zeit zu schlafen, ohne dass es sich wieder in ihnen regte.
Irgendwann war es kein schönes Gefühl mehr und wurde zu einem qualvollen Zwang. Die Sucht hatte Sarah wieder eingeholt. Zugeknallt und vor sich hin dösend nahm sie ihn immer wieder, nur um sich normal zu fühlen.
»Scheiße, Daniel, was ist mit der Arbeit?« Draußen war es hell, und sie war mit der Empfindung aufgewacht, nicht da zu sein, wo sie sein sollte.
»Was?« Seine Augen waren geschlossen. Seine Hand lag auf ihrer Nase und der linken Wange.
»Ich muss im Restaurant anrufen. Ich muss …«
»Ich hab schon angerufen. Ich hab gesagt, es hat einen Notfall in der Familie gegeben, und dass du bis auf weiteres nicht zu erreichen bist. Mach dir keine Sorgen.«
»Und was ist mit dir?«
»Ich bin beurlaubt. Für vier Wochen.«
Sarah schob seine Hand weg und versuchte sich aufzusetzen. Es war zu mühsam. Sie sank zurück auf die Matratze. »Was hast du …?«
Daniel öffnete die Augen zu einem kleinen Schlitz.
Sie waren eher rot als grün. »Beurlaubung aus persönlichen Gründen. Ich habe ihnen gesagt … Mann, ich bin am Verhungern. Wir sollten aufstehen und was essen.«
»Was hast du ihnen gesagt?«
Daniels Lippen bewegten sich kaum. Sarah erkannte es trotzdem als Lächeln. »Ich habe ihnen gesagt, dass ich eine persönliche Krise durchstehen muss.
Wahrscheinlich meinen alle, dass ich einen Zusammenbruch hatte.«
Sarah rollte sich zur Seite und landete mit dem Kopf auf seiner Brust. »Wenn sie dich so sehen könnten, würden sie sich in ihrer Meinung bestätigt fühlen. Du siehst wirklich fürchterlich aus. Als hättest du ein Jahr lang in einem Pappkarton gelebt, Spiritus gesoffen und Dreck gefressen.«
»Und du siehst aus wie die sechs Wochen alte Leiche einer Crack-Süchtigen, die an Syphilis gestorben ist.«
»Fick dich.«
»Ja, bitte.«
Irgendwie schaffte
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