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Zaehme mich

Zaehme mich

Titel: Zaehme mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Maguire
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so traurige Augen wie ihre gesehen, aber trotzdem hätte er ihr am liebsten eine geknallt. Glaubte sie wirklich, dass er sie nicht mehr liebte? Oder war sie so egoistisch, dass es sie gar nicht interessierte? Wahrscheinlich war sie in ihrer ganz besonderen, extra dicken Seifenblase so abgeschottet, dass sie nicht einmal auf die Idee kam, wie qualvoll es für ihn sein musste, wenn sie so dramatisch in sein Leben platzte.
    Die Liebe hatte sie nicht unbedingt selbstloser gemacht.
    Das Telefon klingelte, und Jamie ging hin. Bestimmt war es Shelley, die wissen wollte, warum er an einem Freitagabend um – er warf einen kurzen Blick auf seine Uhr – Scheiße, um Viertel vor sieben noch im Büro war.
    Jamie schämte sich dafür, wie leicht es ihm fiel, Shelley zu belügen, aber er war auch erleichtert, dass seine Stimme so ruhig klang. Er redete einige Minuten mit ihr und versprach ihr, sofort nach Hause zu kommen, sobald die blöden Computer wieder online waren und er seinen Bericht fertig schreiben konnte. Er sagte ich liebe dich und hängte auf.
    »Liebst du sie wirklich?«, fragte Sarah.
    »Ja, ich liebe sie wirklich. Wenn du wüsstest, wie sie zu mir gehalten hat.«
    »Und liebst du mich auch noch?«
    Jamie setzte sich auf den Boden und nahm sie bei den Händen. »Ich werde dich immer lieben.«
    Lächelnd ließ sie sich nieder und schlug ihre abstoßend dünnen Waden übereinander. »Weißt du noch, wie du früher immer gesagt hast, dass es anders ist? Dass du Shelley und mich auf verschiedene Weise liebst?«
    Jamie nickte. Er war erstaunt, dass sie darüber redete, als wären diese Dinge graue Vergangenheit, als könnte man sie ohne unmittelbare Betroffenheit und persönlichen Schmerz erörtern und analysieren.
    »Das verstehe ich jetzt. Du liebst sie, weil sie dir Geborgenheit bietet, und das hat dich angezogen, weil du Schutz gebraucht hast vor deinen Gefühlen für mich. So geht es mir jetzt auch. Ich brauche Schutz vor meinen Gefühlen für Daniel.«
    Jamie stemmte sich gegen eine Welle des Selbstmitleids.
    »Das ist überhaupt nicht das Gleiche, Sarah. Daniel liebt dich. Du hast mich nicht geliebt, und deshalb habe ich Schutz vor dir gebraucht.«
    Sarah legte Jamie die Hand aufs Knie. »Wer sagt, dass ich dich nicht geliebt habe?«
    Jamies Herz blieb kurz stehen und setzte dann mit einem neuerlichen schmerzhaften Ruck wieder ein. »Ja, aber es war anders, stimmt’s?«
    Sie nickte, und der Ausdruck auf ihrem Gesicht verriet ihm, dass sie keine Worte dafür fand, wie anders es war.
    Was sie für Daniel Carr empfand und was sie für Jamie empfunden hatte, fiel nicht einmal in die gleiche Kategorie. Bestimmt konnte sie sich nicht einmal vorstellen, für Jamie die gleiche Leidenschaft, Lust und Hingabe zu fühlen wie für den anderen.
    Jamie bedeckte ihre Hand mit seiner. »Du bist also hergekommen, weil du jemanden brauchst, der dich vor dir selber schützt?«
    »Ja, wahrscheinlich. Ich … ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.« Sie atmete ein, und dann flossen wieder die Tränen. »Warum hat das alles so kommen müssen? Ich habe mir mein Leben ganz anders vorgestellt.«
    Jamie war völlig ihrer Meinung. Als ihn das kleine dunkelhaarige Mädchen in der ersten Geografiestunde der siebten Klasse so keck angesehen und ihn auf eine Weise angelächelt hatte, dass es ihm die Kehle zuschnürte, hatte er instinktiv geahnt, wie es weitergehen würde. Er musste auf sie aufpassen und dafür sorgen, dass ihr niemand wehtat, dass sie nicht traurig war und dass sie keine Angst hatte. Und im Gegenzug würde sie ihn ewig lieben und darauf bedacht sein, ihm nicht wehzutun, ihm keinen Kummer und keine Angst zu machen. Wenn Jamie besser auf sie aufgepasst hätte, wäre es ganz anders mit ihnen gekommen. Es war alles schief gelaufen.
    Sarah hatte sich in sich selbst zurückgezogen. Die Arme um die Knie geschlungen, saß sie mit dem Rücken an der Wand und weinte, dass es ihm fast das Herz gebrochen hätte. Wenn es nicht ohnehin schon in tausend Scherben zerschlagen gewesen wäre. Er beobachtete sie. Sie schien gar nicht mehr wahrzunehmen, dass er da war. Ihre Augen waren offen, aber sie waren auf etwas gerichtet, das Jamie nicht sehen konnte. Es war unerträglich für ihn, darüber nachzudenken, was sie sah, welche Bilder ihr durch den Kopf tanzten, wenn sie so in die Ferne starrte.
    Also senkte er den Blick auf ihre Beine. Diese Beine hatten ihn früher sehr fasziniert, weil sie zwar kurz waren, sich aber unglaublich schnell

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