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Zaehme mich

Zaehme mich

Titel: Zaehme mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Maguire
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Wohnraum, und die Wilkes gehörten zu den Menschen, die beim Abendessen tiefe, anrührende Gespräche führten und bekannten, wie sehr sie aneinander Anteil nahmen. Wenn sie von diesen Leuten ständig belämmert und psychisch in die Enge getrieben wurde, brachte sie bestimmt keinen Bissen mehr hinunter, und wenn sie nichts aß, würden sie bestimmt alle für magersüchtig halten und denken, sie sei nicht im Reinen mit ihrem Körperbild. All das konnte sie Jamie nicht sagen, weil er sonst ein Gespräch mit ihr darüber angefangen hätte, weshalb sie sich durch emotionale Nähe bedroht fühlte.
    »Danke, Jamie-Boy, aber das Zusammenleben mit deiner Familie wäre der Tod für mein Sexualleben.«
    Jamie lächelte, aber auf eine angespannte, verkniffene Weise, die seine Frustration verriet. »Hast du dir schon mal die Frage gestellt, ob nicht vielleicht deine Prioritäten irgendwie leicht durchgeknallt sind? Ich meine, das ist doch nur Sex, Sarah.«
    Das war es, was Jamie nicht verstand: Es war nie nur Sex.
    Selbst beim schnellsten, schmutzigsten, unpersönlichsten Fick ging es um mehr als um Sex. Es ging um Verbindung.
    Es ging darum, einen anderen Menschen anzusehen und in ihm das Spiegelbild der eigenen Einsamkeit und Not zu erblicken. Es ging um die Erkenntnis, dass man zusammen die Macht besaß, das Gefühl des Alleinseins zu verscheuchen. Es ging um die Erfahrung des Menschseins auf einer ganz grundlegenden, instinktiven Ebene. Wie konnte man das als nur irgendetwas beschreiben?
    Und abgesehen davon bestand immer die Möglichkeit, vielleicht, vielleicht einen anderen Mann wie ihn zu finden.
    Die andere Hälfte des Tiers, das ihr tobend und brüllend die Eingeweide zerfleischte.
    Sarah trank ihr Bier leer und drückte ihre Zigarette aus.
    »Hatten wir diese Unterhaltung nicht schon mal?«
    »Stimmt. Jedes Mal wenn du mich um Geld bitten musst, weil du dir deinen Lebensstil nicht leisten kannst.«
    Sarah schnippte den Fünfziger in Jamies Schoß.
    »Du kannst dein Geld und deine blöden Bemerkungen für dich behalten. Kein Bedarf, danke.«
    »Komm nimm schon, Sarah.«
    Sie hüpfte von ihrem Barhocker. »Ich muss in die Bibliothek.«
    Mit ehrlichem Bedauern streckte er die Hand aus.
    »Nimm das Geld, Sarah, bitte.«
    »Ich brauch es nicht. Mir ist gerade eingefallen, dass ich noch irgendwo Geld rumliegen habe.«
    Jamie kam auf sie zu und wedelte mit dem Schein durch die Luft. »Quatsch.«
    »Nein, ehrlich. Es stimmt.« Damit rannte sie aus dem Pub. Wenn es auch in diesem Moment noch nicht stimmte, bald würde es stimmen.
    Gerade als Jamie vor Sarahs Tür erschien, öffnete sie sich.
    Ein grauhaariger Mann in Nadelstreifenanzug kam heraus.
    »Was wollen Sie?« Der Mann berührte Jamie an der Brust. »Was lungern Sie hier herum?«
    »Ich … lungere nicht … äh … ist Sarah …«
    »Ja, bitte entschuldigen Sie mich.« Der Mann schob sich an Jamie vorbei. »Ich habe es eilig.«
    »Sarah?« Jamie ging hinein und machte die Tür hinter sich zu. »Bist du vorzeigbar?«
    »Ja, hier drin.«
    Er betrat ihr Schlafzimmer und musste sofort würgen, als ihm der Geruch von Sperma und Schweiß in die Nase drang. Er konzentrierte sich darauf, nur ganz flach zu atmen, um möglichst wenig von den sexuellen Absonderungen zu inhalieren. Sarah lag auf der Seite, und ihr prachtvolles, zerzaustes Haar bedeckte ihr halbes Gesicht und den Arm, auf den sie sich stützte. Sie war in ein burgunderrotes Laken gehüllt, das eng um ihre vorspringende Hüfte lag und ihre runden, kleinen Brüste mehr betonte als verbarg.
    Jamie wandte den Blick von der schrecklichen Herrlichkeit der postkoitalen Sarah ab, doch was er nun sah, war noch entsetzlicher. Auf dem Boden neben dem Bett lag ein verschrumpeltes, trüb gefülltes Kondom, ein Haufen zusammengeknüllte Taschentücher und – Jamie glaubte, seine Lunge würde explodieren – mehrere ordentlich gefaltete Zwanzigdollarscheine.
    Jamie starrte sie an. »Ist das das Geld, das du noch irgendwo rumliegen hattest?«
    »Ja, es hat in Joes Hosentasche rumgelegen.« Sie lachte und zeigte Jamie dabei das feucht leuchtende Innere ihres Mundes.
    Jamie ließ sich äußerlich schon lange nichts mehr anmerken, wenn Sarah so etwas getan hatte. Doch innerlich war es wie ein winziger Glassplitter, der ihn ins Herz stach. So winzig, dass es eigentlich nichts ausmachte, nur waren es inzwischen schon so viele winzige Splitter, dass sein Herz fast immer wehtat, und jeder neue kleine Splitter machte den Schmerz ein

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