Zaehme mich
III. in der Richard die frisch verwitwete Anne verführt, geriet Sarah so außer sich, dass sie vom Sofa fiel, den Aschenbecher umwarf und mit dem Kopf auf die Bodendielen knallte.
Als sie in der verstreuten Asche saß und sich die Stirn rieb, fragte sie sich, ob Jamie nicht doch Recht hatte.
Vielleicht war ihr Interesse an Sex abnormal, ihre Gier übertrieben. Vielleicht war es pervers, wenn man bei der Lektüre von Shakespeare von der Couch stürzte. Sie las die Stelle noch einmal:
Euer Reiz allein war Ursach dieser Wirkung.
Euer Reiz, der heim mich sucht’ in meinem Schlaf.
Von aller Welt den Tod zu unternehmen Für eine Stund an Eurem süßen Busen.
Nein, ihre Reaktion war völlig angemessen. Wer diese Szene las, ohne sich erregt zu fühlen, musste von der Hüfte abwärts tot sein. Trotzdem hätte sie jetzt gern Jamie bei sich gehabt, um seinen Widerspruch zu hören. Sie hätte ihn gern bei sich gehabt.
Silvester war Sarahs zweiundzwanzigster Geburtstag und zugleich der Anlass für eine Party in Mikes und Jess’
neuem Haus. Sarah hätte die Party lieber ganz ausfallen lassen und die Nacht zusammen mit anderen betrunkenen und geilen Sydneyer Singles verbracht, doch Jamie wollte auch hingehen, und so hatte sie gar keine andere Wahl. Sie würde ihn irgendwohin bugsieren, wo er ihr nicht mehr auskommen konnte, und ihn zwingen, die Freundschaft mit ihr zu erneuern.
Doch bevor sie sich etwas ausdenken konnte, um Jamie von dem geschwollenen Etwas an seiner Seite loszueisen, hatte Mike sie schon nach oben ins Gästezimmer abgeschleppt. Er hatte die letzte Woche bei seiner Familie verbracht und war, wie er es ausdrückte, ›kurz vor dem Platzen‹. Sarah wollte ihm klar machen, dass das sein Problem war, doch dann stieß er sie aufs Bett und riss ihren Slip auseinander, und jetzt war auch sie kurz vor dem Platzen.
»Rat mal, wen ich an Weihnachten bei den Eltern von Jess getroffen habe«, fing Mike an, nachdem sie fertig waren.
Sarah bürstete sich das Haar. Lächelnd sah sie ihn im Spiegel an. »Hmm?«
»Die reizende Jocelyn Clark.« Mike trat hinter sie und küsste sie auf den Hals. Sarah starrte geradeaus. »Hab beim Mittagessen ein bisschen mit ihr geplaudert.«
Sarah bewahrte eine ausdruckslose Miene. Wie lang sie wohl brauchen würde, um genügend Geld zum Verschwinden zusammenzukratzen? Wahrscheinlich gar nicht lang, wenn sie es wirklich darauf anlegte. Sie konnte nach London reisen oder nach Frankreich oder nach Neuseeland. Egal wohin, Hauptsache niemand kannte sie.
»Wie kommt es eigentlich, dass du deine Mum nicht mehr siehst?«
Sie lächelte sein Spiegelbild an. »Dein Hemd gefällt mir. Blau steht dir.«
»Ich fand sie nämlich richtig nett. Sie hat auch nach dir gefragt.«
»Du solltest öfter Blau tragen, das bringt deine Augen zur Geltung.«
»Sie sieht dir auch ein bisschen ähnlich. Du hast ihre Augen und ihr Kinn. Die Nase musst du von deinem Vater haben. Den hab ich nicht kennen gelernt. Anscheinend hat er gearbeitet.«
»Hat dir Jess das Hemd gekauft? Bei Kleidern hat sie wirklich einen guten Geschmack, das muss man ihr lassen.«
»Der ist ja wirklich ein Schwerstarbeiter. Am Weihnachtstag schuften, kaum zu fassen! Er ist Buchprüfer oder so was Ähnliches, stimmt’s?«
»Versicherungsstatistiker. Meines Wissens hat er sich noch nie in seinem Leben einen freien Tag gegönnt.
Vielleicht an seinem Hochzeitstag, ich bin mir nicht sicher.« Sarah machte einen Schritt von Mike weg. »Wenn ich je herausfinde, dass du mit meinen Eltern über mich gesprochen hast, dann ist Schluss zwischen uns. Und damit meine ich nicht nur unsere billige kleine Affäre, sondern jede Art von Kontakt.«
Mike streckte den Arm nach ihr aus. »Sarah, es sind doch deine Eltern, du …«
»Halt die Klappe!« Sarah holte mehrmals tief Luft und hob die Arme mit nach außen gekehrten Handflächen.
»Wenn du in Zukunft auch nur mit mir sprechen willst, dann hör endlich auf mit diesem blöden Gequatsche.«
»Herrgott, Sarah, beruhig dich doch. Tut mir Leid.
Komm her.« Mike wirkte zerknirscht, und Sarah ließ sich in die Arme nehmen.
»Ich war doch bloß neugierig«, flüsterte er ihr ins Ohr.
»Jess sagt, sie haben dich wegen irgendeinem Skandal rausgeschmissen. Irgendeine Sexgeschichte? Ich dachte, vielleicht ist inzwischen Gras über die Sache gewachsen.
Vielleicht könntest du dich wieder mit ihnen versöhnen?«
Sarah drückte den Kopf an seine Schulter und klammerte sich an ihn. Nach dem
Weitere Kostenlose Bücher