Zaehme mich
unverschlossen. Er machte sie auf und trat ein, und er erstarrte innerlich bei dem Gedanken, dass jeder diese Tür aufmachen und eintreten konnte. »Sarah?«
»Im Schlafzimmer.«
Rauchend saß sie auf dem Fensterbrett, ein aufgeschlagenes Taschenbuch auf den Knien. Sie wirkte klein und einsam, ganz wie das missbrauchte und verlassene Kind, das sie war. Er sehnte sich danach, sie zu berühren und von ihr berührt zu werden, sehnte sich nach dem zarten Gewicht ihrer Hand auf seinem Schwanz. Er wollte ihr so nah sein, dass er den Rauch in ihrem Haar riechen, die Schweißtropfen auf ihrem Rücken schmecken konnte. Aber wie sollte er sie berühren, da sie sich nicht einmal zu ihm umgewandt und seine Anwesenheit noch gar nicht zur Kenntnis genommen hatte? Er lehnte sich an die Wand, so dicht bei ihr, wie er es wagte. Noch immer bewegte sie sich nicht, außer um die Zigarette an den Mund zu führen, zu inhalieren, die Hand zu senken, auszuatmen.
»Du solltest die Tür nicht unverschlossen lassen.«
»Nein, wahrscheinlich nicht.« Sie blies Rauch zum Fenster hinaus.
»Das ist gefährlich.«
»Sicher.«
»Da kann doch jeder reinkommen. Und du wärst in der Falle.«
Sie zuckte die Achseln.
»Mein Gott, Sarah! Willst du, dass dir jemand die Kehle durchschneidet?«
»Sei nicht immer so eine verdammte Glucke. Warum bist du hier?«
Noch nie hatte er so stark den Wunsch empfunden, einen Menschen zu schlagen. Nach einem tiefen Atemzug legte er los. »Was ist gestern Abend passiert, Sarah?«
»Weißt du das nicht mehr? Anscheinend warst du betrunkener, als ich dachte.« Sie warf die Kippe aus dem Fenster, und beide schauten ihr nach, wie sie durch die Luft segelte und immer noch qualmend auf dem Asphalt landete.
»Du steckst noch mal was in Brand. Du solltest sie erst ausmachen.«
»Ja, wahrscheinlich hast du Recht.«
»Du denkst nicht viel über die Konsequenzen deiner Handlungen nach, oder?«
»Ich denke nicht viel über die Konsequenzen meiner rausgeworfenen Zigarettenkippen nach, nein.«
»Muss schön sein, wenn man sich um nichts und niemanden schert.«
Lange Zeit blieb Sarah stumm. Egal, wie lang es dauerte, wie sehr ihm der Schweiß herunterlief, wie zittrig und krank es ihn machte, Jamie wollte dieses Zimmer erst verlassen, nachdem sie ihm das Gesicht zugewandt hatte. Er beobachtete ihre Hände, als sie sich noch eine Zigarette anzündete. Ihre kurzen Kleinmädchenfinger mit den gepflegten, runden Nägeln einer richtigen jungen Dame.
Er konnte nicht anders, er musste sie einfach anfassen und legte ihr vorsichtig die Hand auf den Arm. »Sarah, bitte.«
Sie blickte zu ihm auf, und ihr Gesicht war unendlich traurig. »Es tut mir Leid.« Sie berührte ihn mit der Fingerspitze am Kinn. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Jamie wappnete sich innerlich. »War es nicht gut?«
»Mein Gott.«
»War es so schlecht? War ich so schlecht?«
Sie stand auf, ohne den Finger von seinem Kinn zu lösen. Eine Sekunde lang dachte er, sie würde ihn küssen.
Sein Magen krampfte sich zusammen. Doch nein.
»Es war wunderbar. Aber es hätte nicht passieren dürfen. Du wirst bald Vater, verdammt.«
»Ich weiß, es ist nur …«
»Scheiße, Jamie.« Sarah streichelte sein Gesicht. »Ich bin so ein egoistischer Trampel. Ich hatte eben das Gefühl
… es nimmt mich einfach mit, wenn ich sehe, was mit deinem Leben passiert. Ich musste bei dir sein, ganz nah.
Ich hab überhaupt nicht dran gedacht, was danach kommt, ich war bloß … Kannst du mir verzeihen?«
»Es gibt nichts zu verzeihen.« Ein bitterer Geschmack stieg Jamie in die Kehle.
Ein Ausdruck der Erleichterung zog über ihr Gesicht. Es konnte auch Erschöpfung sein. »Ich liebe dich, weißt du das?«
»Klar.« Und Mike? Er brachte es nicht über sich, die Frage auszusprechen. Ihre Arme schlangen sich um ihn, ihr Kopf lag auf seiner Schulter. Er hatte die Hand auf ihrer Wirbelsäule. Wie konnte er sie so etwas fragen …
ahh, er wollte nicht einmal daran denken. Doch ihm war klar, er würde an nichts anderes denken, solange er es nicht genau wusste.
»Sarah? Äh, ich habe mich heute Vormittag mit Mike getroffen und er hat gesagt …«
»Mike, ach Gott.« Sie klammerte sich fester an Jamie.
»Er wird gleich kommen.«
»Sarah, nein, bitte sag mir, dass du nicht …«
»Noch nicht.«
»Aber du wirst …«
Sarah löste sich aus der Umarmung. »Jamie, bitte nicht.«
Das packte er nicht mehr. Er packte es einfach nicht mehr. Er fing an zu weinen, obwohl er
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