Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zaehme mich

Zaehme mich

Titel: Zaehme mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Maguire
Vom Netzwerk:
an.«
    »Wenn du ungeschützten Sex hast, dann geht mich das sehr wohl was an.«
    In Sarahs Lachen lag nicht ein Hauch von Humor.
    »Wenn du dir beim Vögeln mit mir nichts holen willst, darfst du dir gern einen Gummi überziehen. Aber vielleicht ist es sowieso besser, wenn wir es ganz lassen.«
    Das war schlimm. Nicht nur, dass sie es gesagt hatte, sondern dass sie es so ruhig gesagt hatte. Als wäre es ihr völlig egal. Schlimmer konnte es kaum noch kommen. Er setzte sich auf den Stuhl neben ihr und nahm ihre Hände.
    »Wenn ich jetzt den Mund halte, verzeihst du mir dann, dass ich so ein Schwachkopf bin?«
    Sarah blickte über seine Schulter. Ihm fiel auf, wie rot ihre Augen waren und dass die immer gegenwärtigen Ringe darunter so dunkel waren wie schon lange nicht mehr. Er musste sich buchstäblich auf die Zunge beißen, um sie nicht ins Verhör zu nehmen.
    »Du bist kein Schwachkopf.« Sarah sah ihm wieder ins Gesicht. »Du bist bloß eine fürchterliche Nervensäge.«
    »Ich hör auf damit, ich schwör’s dir.«
    »Du wirst nie damit aufhören. Du nörgelst doch schon an mir rum, seit wir uns kennen.« Sie lächelte. »Du darfst einfach nicht alles so persönlich nehmen, okay?«
    Noch nie hatte er solche Dankbarkeit empfunden. Dieses Lächeln allein würde ihn für den Rest seiner Tage glücklich machen. »Ich werd es versuchen.«
    »Das weiß ich.« Dann küsste sie ihn, und die ganze Bitterkeit der letzten halben Stunde war verflogen. Danach war sie wieder ganz normal, sie lachte, erzählte dreckige Witze und rauchte zu viel. Auch Jamie bemühte sich, normal zu sein, und es gelang ihm sogar, zumindest oberflächlich. Doch darunter verbarg sich ein violett zerschundenes Herz. Violett wie die Ringe unter ihren Augen. Wie die Blutergüsse an ihren Beinen.
    Sarah bereute es, Jamie zu sich gebeten zu haben. Von seiner Gegenwart hatte sie sich Trost und Beruhigung erhofft; sanfte Aufmerksamkeit als Gegenmittel gegen die Erinnerung an Daniels Zähne. Wenn Jamie mit ihr schlief, spürte sie normalerweise Wärme und Frieden, doch heute fühlte sie sich bei seinen scheuen, zögernden Küssen und seinen vorsichtigen Stößen nur einsam und erdrückt. Am liebsten hätte sie ihn angebrüllt: Sei nicht so behutsam, sei nicht so verdammt beherrscht.
    Mit zusammengebissenen Zähnen konzentrierte sie sich auf das Brennen ihrer Waden, die über das Laken scheuerten. Sie dachte an Daniels Zähne. Daniels fiese, scharfe, kleine Zähne. Dann dachte sie an das rosa Zahnfleisch, in dem sie wohnten, und an die Lippen, die sie verbargen. Sie dachte an seinen roten, feuchten Mund mit seinen fiesen, weißen Zähnen und seiner rauen, heißen Zunge, und daran, dass dieser grausame, schöne Mund sie schon bald am ganzen Körper küssen und lecken und beißen würde. Jamie vögelte verhalten weiter, und Sarah dachte weiter an Daniel. Nachdem sie gekommen waren –
    zuerst Sarah, den Kopf voll mit Daniels Mund, dann Jamie, den Mund voll mit Sarahs Namen –, hatte sie das Gefühl, Jamie bestohlen zu haben, und in diesem Augenblick erkannte sie, dass in ihrem Leben nicht für beide Platz war.
    Sie hatte keine Ahnung, was sie machen sollte. Daniel Carr verwirrte sie so, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Seit er wieder aufgetaucht war, drang aus all ihren Poren nur noch feuchte Hitze und verdrängte alle Vernunft. Vergangene Nacht hätte sie ihm jede Bitte erfüllt, aber er hatte sie um fast nichts gebeten. Heute war sie ernüchtert vom Schmerz und bestürzt über die Stärke ihrer Sehnsucht. Sie war zutiefst verunsichert.
    Ein Drittel ihres Lebens hatte sie ihn im Kopf und im Herzen getragen als den einzigen Mann, den sie jemals lieben konnte. Jeder von den Hunderten anderer, mit denen sie zusammen war, wurde mit ihm verglichen, und keiner konnte sich mit ihm messen. Die Wahl ihres Studienfachs hatte ihre Wurzel in dem uneingestandenen Traum, ihn eines Tages nach seiner Wiederkehr mit ihrer Belesenheit zu beeindrucken. Selbst zu ihrem Fernweh hatte er schon damals den Keim gelegt mit der Bemerkung, nichts sei so gut für die Bildung eines Menschen, wie die Welt zu sehen.
    Trotzdem war sie mehr als eine selbst ernannte Eliza Doolittle. Die Intensität ihrer Einführung in die Erotik und das tiefe Verlustgefühl, nachdem er sie verlassen hatte, hatten ihr noch im Kindesalter eine Selbstbeobachtung abverlangt, die einer Midlife-Crisis würdig gewesen wäre.
    Das hatte sie stark und sicher und unabhängig gemacht.
    Und obwohl ihre

Weitere Kostenlose Bücher