Zähmung der Wildkatze
gehen.
Seine Hände griffen flink nach ihren Oberarmen, und er beugte sich über ihre Schulter. Seine Stimme klang samtig und rau. „Ich bin nicht der Meister aller Klassen, aber ich werde dein Meister sein, Marie.“
Widerwillig und rebellisch drehte sie sich wieder zu ihm um, erwiderte fest seinen Blick, auch wenn sie ihren Kopf in den Nacken legen musste, um in sein Gesicht sehen zu können. Stuart unterbrach als Erster den Blickkontakt. Sie grinste triumphierend und beobachtete, wie er zu einem Sideboard ging, die oberste Lade öffnete.
Geh jetzt. Leg einen glänzenden Abgang hin
. Aber sie konnte sich nicht rühren, beobachtete stattdessen seine geschmeidigen Bewegungen, als er zu ihr zurückkehrte.
„Willst du gezähmt werden, Kätzchen?“
Es klang lächerlich in ihren Ohren, aber die unterschwellige Drohung in seinem Tonfall hinderte sie, aufzulachen. Ihre Mimik wurde dennoch höhnisch. „Als ob du mir das Wasser reichen könntest.“ Etwas in ihrem Hinterkopf warnte sie, nannte es einen Fehler, diesen Satz ausgesprochen zu haben. Doch sie wischte den Gedanken fort und überkreuzte ihre Arme abwartend. Marie erwiderte sein süffisantes Lächeln selbstsicher.
„Lass es auf einen Versuch ankommen.“
„Tss.“
„Mit oder ohne Sicherheitsleine?“
Marie legte die Stirn in Falten. „Was ist denn das für eine Frage?“
„Hm, ein Trapezkünstler ohne Netz und Sicherheitsleine muss sich entweder absolut sicher seines Könnens sein oder dumm genug, die Gefahr nicht zu erkennen. Zu welcher Sorte gehörst du? Möchtest du vorher ein Abbruchwort mit mir vereinbaren? Ich garantiere dir, ich werde nicht zimperlich mit dir umgehen. Wie klingt das Wort ‚Zicke‘ für dich? Es wäre wirklich perfekt, findest du nicht?“
Geh einfach, das ist doch bescheuert
. Marie schnaubte. Erica hatte ihr von einerArt Safeword erzählt, dass BDSM-Genießer benutzten, wenn das Spiel zu weit ging. Irgendwo aus weiter Ferne ihres tiefsten Inneren schrie ihr Verstand entsetzt auf und flehte sie an, sofort die Flucht zu ergreifen, aber die Herausforderung pochte in ihrem Magen und ihr Stolz ließ sie einfach den Kopf schütteln. Was hatte er vor? Da ansetzen, wo er bei der Hochzeit aufgehört hatte? Wie ein Tiger in einem zu kleinen Käfig wanderte sie auf und ab, ohne Stuart aus den Augen zu lassen.
„Was ist? Angst vor der eigenen Courage? Angst, die Kontrolle zu verlieren? Wägst du gerade deine Chancen ab oder überlegst du noch, freiwillig das Feld zu räumen?“
Das war zu viel. „Lächerlich.“
Als hätte er die Antwort erwartet, streckte er seinen Arm aus und in seiner Hand entrollte sich eine schwarze, lange Lederpeitsche mit festem breiten Schaft, wie für seine große Hand gemacht und geflochten bis zum spitz zulaufenden Ende. Einen Augenblick flackerte erneut der Verstand in Marie auf und sendete ein panisches SOS. In Stuarts Mimik veränderte sich etwas. Er lächelte freundlich und seine Stimme bekam einen bedrohlich fröhlichen Unterton, der sie verwirrte.
„Das nennt man eine Bullenpeitsche. Zwölffach geflochtenes Rindsleder auf etwa zwei Meter Länge. Mittelschwer und perfekt ausbalanciert für die Zielsicherheit. Es ist eins meiner liebsten Stücke aus meiner Kollektion, liegt gut in der Hand und ich würde damit die Flügel einer Fliege treffen. Ich habe sie dem klassischen Original getreu nachgebaut. So etwas wird heute noch von Cowboys zum Viehtrieb verwendet. Solch ein Schätzchen gehört nur in erfahrene Hände. Du kannst also ganz beruhigt sein, ich weiß, was ich tue.“
„Das wagst du nicht!“ Der Ausruf war ihr über die Lippen gekommen, ohne dass sie es gewollt hatte. Sie hob ihren Zeigefinger und ging langsam rückwärts.
Stuart folgte ihr schmunzelnd.
Das wagst du dich niemals
.
Er ließ das Ledermonster durch die Luft segeln und peitschte ins Leere. Der Knall hallte durch das Haus, wurde von den Wänden der Eingangshalle zurückgeworfen und durchfuhr ihren Körper. Marie starrte ihn an wie ein Lamm vor dem großen bösen Wolf.
Scheiße. Er meint das ernst!
„Lauf!“
Marie blieb wie angewurzelt stehen und rührte sich nicht.
In was hast du dich jetzt schon wieder manövriert? Verdammt!
„Lauf los, deine Chance, mir zu zeigen, wie gut du bist. Ich gebe dir fünf Minuten Vorsprung, dann komme ich und hole dich. Und Gnade dir, wenn ich dich finde.“
Als ein weiterer Knall der Peitsche durch das Haus dröhnte, rannte sie los, über die Terrasse hinaus zu den angrenzenden
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