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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Aussicht auf ein Abenteuer ernüchtert, tanzte Dick mit dem Mädchen. Er fand alles an ihr, was angenehm englisch war; in ihrer hellen Stimme war die Geschichte eines sicheren, meerumschlungenen Landes mit seinen schönen Gärten zu hören, und als er sich zurücklehnte, um |341| sie anzusehen, meinte er alles, was er sagte, so ernst, dass seine Stimme zu zittern begann. Sie versprach, sich zu ihnen herüberzusetzen, sobald sich ihr Begleiter verabschiedet habe. Der Engländer nahm ihre Rückkehr mit wiederholten Entschuldigungen und Lächeln zur Kenntnis.
    Als er zu Collis zurückkam, bestellte Dick eine weitere Flasche Spumante.
    »Sie erinnert mich an eine Filmschauspielerin«, sagte er. »Weiß bloß nicht, welche.« Ungeduldig schaute er über die Schulter. »Frage mich, worauf sie noch wartet.«
    »Ich wäre auch gern beim Film«, sagte Collis nachdenklich. »Ich soll ins Geschäft meines Vaters eintreten, aber dazu habe ich überhaupt keine Lust. Zwanzig Jahre lang in Birmingham in einem Büro herumsitzen   –«
    Seine Stimme schien sich dem Druck der ganzen materialistischen Zivilisation widersetzen zu wollen.
    »Sind Sie sich zu gut dafür?«, fragte Dick.
    »Nein, das meine ich nicht.«
    »Doch, das meinen Sie.«
    »Woher wollen Sie wissen, was ich meine? Warum praktizieren Sie nicht als Arzt, wenn Sie die Arbeit so lieben?«
    Dick hatte dafür gesorgt, dass sie sich jetzt beide ganz elend fühlten, andererseits waren sie so betrunken, dass sie alles nur noch verschwommen sahen und im nächsten Moment ganz vergaßen; Collis verabschiedete sich und sie schüttelten sich voller Wärme die Hände.
    »Denken Sie darüber nach«, sagte Dick weise.
    »Worüber?«
    »Sie wissen schon.« Es hatte irgendwas damit zu tun, dass Collis ins Geschäft seines Vaters eintreten sollte   – ein guter, gesunder Rat.
    Collis Clay marschierte hinaus in den Weltraum. Dick |342| trank die Flasche aus und tanzte dann noch einmal mit der kleinen Engländerin, wobei er seinen widerwilligen Körper zu kühnen Drehungen und entschlossenen Schritten über den halben Tanzboden zwang. Dann passierte etwas höchst Merkwürdiges. Er tanzte mit dem Mädchen, die Musik hörte auf   – und dann war die kleine Engländerin plötzlich weg.
    »Haben Sie sie gesehen?«
    »Wen?«
    »Das Mädchen, mit dem ich getanzt habe. Is plötzlich verschwunden. Muss noch hier irgendwo sein.«
    »Nein! Nein! Das ist die Damentoilette!«
    Er stellte sich an die Bar. Es standen noch zwei andere Männer da, aber es fiel ihm nichts ein, um ein Gespräch zu beginnen. Er hätte ihnen alles über Rom und die brutalen Ursprünge der Colonna und Gaetani erzählen können, aber es war ihm klar, dass ein solcher Einstieg vielleicht ein bisschen abrupt war. Eine Reihe von Lenci-Puppen 2* auf der Zigarrentheke fiel plötzlich herunter; danach gab es ein ziemliches Durcheinander und er hatte das Gefühl, dass er irgendwie damit zu tun hatte. Er zog sich in den Tanzsaal zurück und trank eine Tasse schwarzen Kaffee. Collis war weg, und das englische Mädchen war weg, und wie es schien, blieb ihm nichts anderes übrig, als ins Hotel zurückzufahren und sich mit seinem schwarzen Herzen ins Bett zu legen. Er zahlte und ließ sich Mantel und Hut geben.
    In den Rinnsteinen und zwischen den Pflastersteinen floss schmutziges Wasser; ein sumpfiger Nebel aus der Campagna und der Schweiß erschöpfter Kulturen erfüllten die Morgenluft. Ein Quartett von Taxifahrern mit kleinen Augen und dunklen Tränensäcken stand um ihn herum. Einer lehnte sich fast in sein Gesicht, und Dick stieß ihn heftig zurück.
    |343|
»Quanto a ›Hotel Quirinal‹?«
, fragte er.
    »Cento lire.«
    Sechs Dollar. Er schüttelte den Kopf und bot dreißig Lire, was immer noch das Doppelte des normalen Tarifs war. Aber sie zuckten bloß die Schultern und wandten sich ab.
    »Trente-cinque lire e mancie«
, sagte er entschlossen.
    »Cento lire.«
    Er verfiel ins Englische. »Für eine halbe Meile? Sie werden mich für vierzig fahren.«
    »Oh, nein.«
    Er war plötzlich sehr müde. Er zog die Tür eines Taxis auf und setzte sich hinein.
    »›Hotel Quirinal‹!«, sagte er zu dem Fahrer, der störrisch neben dem Wagen stehen blieb. »Hören Sie auf, so hämisch zu grinsen, und bringen Sie mich zum ›Quirinal‹.«
    »Ah, nein.«
    Dick stieg wieder aus. Vor der Tür des »Bonbonieri« diskutierte jetzt jemand mit den Taxifahrern und erklärte dann Dick ihre Haltung. Wieder rückte einer der Männer Dick so

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