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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Ein Page kam herein und brachte ihm eine Nachricht.
     
    Ich bin nicht zu der Party gegangen,
besagte sie
. Ich bin jetzt in meinem Zimmer. Wir brechen morgen sehr früh nach Livorno auf.
     
    Dick gab dem Pagen den Umschlag mit einem Trinkgeld zurück. »Sagen Sie Miss Hoyt, Sie hätten mich nicht finden können.« Dann wandte er sich Collis zu und schlug das »Bonbonieri« als nächste Station vor.
    Die Nutte an der Bar inspizierten sie mit jenem Minimum an Aufmerksamkeit, das ihr von Berufs wegen zustand, und sie starrte mit greller Dreistigkeit zurück. In der verlassenen Lobby, wo sich der Staub des letzten Jahrhunderts in den Falten der Vorhänge ausruhte, nickten sie dem Nachtportier zu, der ihre Geste mit der säuerlichen Dienstbereitschaft erwiderte, die so typisch für Nachtportiers ist. Dann fuhren sie auf freudlosen Straßen durch einen novemberlich nebligen Abend. 1* Frauen waren nicht unterwegs, nur blasse Männer mit schwarzen Mänteln, die bis zum Hals zugeknöpft waren, standen in Gruppen an Mauervorsprüngen aus kaltem Stein.
    »Mein Gott!«, seufzte Dick.
    »Was ist denn?«
    »Ich hab nur an den Mann von heute Nachmittag denken müssen. ›Dieser Tisch ist für die Prinzessin Orsini reserviert.‹ Wissen Sie, was diese alten römischen Familien sind? Banditen. Als Rom den Bach runterging, haben sie sich die Tempel und Paläste geschnappt, und das Volk ausgeplündert.«
    »Ich mag Rom«, widersprach Collis. »Warum gehen Sie nicht mal zu den Pferderennen?«
    |339| »Ich mag keine Pferderennen.«
    »Aber da gibt es massenhaft schöne Frauen   –«
    »Ich weiß genau, dass mir da nichts gefallen würde. Frankreich gefällt mir, wo alle denken, sie wären Napoleon   – hier unten tun sie alle, als wären sie Jesus Christus.«
    Im
Bonbonieri
stiegen sie in einen holzgetäfelten Saal hinunter, der, gemessen an den kalten, uralten Steinen, hoffnungslos provisorisch war. Eine lustlose Band spielte einen Tango und ein Dutzend Paare bedeckten die Tanzfläche mit den eleganten und kunstvollen Schritten, die in den Augen der Amerikaner so anstößig sind. Ein Überangebot von Kellnern hing müde herum, und eine Aura des Wartens lag über der Szene, so als hofften die Anwesenden, dass die Dinge bald endeten: der Tanz, der Abend und das Gleichgewicht der Kräfte, das beide in Gang hielt. Der empfindsame Gast spürte sofort, dass er das, was er suchte, hier nicht finden würde.
    Für Dick war das vollkommen klar. Er sah sich um und hoffte, sein Auge würde an irgendwas hängen bleiben, was seinen Geist eine Weile beschäftigen konnte. Aber da war nichts, und nach einer kurzen Pause drehte er sich zu Collis um. Er hatte dem jungen Mann einige seiner gegenwärtigen Ansichten erläutert, ärgerte sich aber über dessen kurzes Gedächtnis und die fehlende Resonanz. Nach einer halben Stunde Collis spürte er ein deutliches Schwinden der eigenen Vitalität.
    Sie tranken eine Flasche italienischen Schaumwein, Dick wurde blass und etwas lärmig. Er rief den Orchesterleiter herüber; dabei handelte es sich um einen Schwarzen von den Bahamas, eingebildet und unangenehm. Innerhalb weniger Minuten hatten sie Krach.
    »Sie haben mich gebeten, mich zu setzen.«
    |340| »Ja, gut. Und ich habe Ihnen auch fünfzig Lire gegeben, nicht wahr?«
    »Okay, okay, okay.«
    »Ja, gut, ich hab Ihnen fünfzig Lire gegeben, nicht wahr? Und dann kommen Sie und verlangen, ich soll Ihnen noch mehr in Ihre Tröte stecken!«
    »Sie haben mich gebeten, mich zu setzen. Oder nicht? Oder nicht?«
    »Ich habe Sie gebeten, sich zu uns zu setzen, aber ich habe Ihnen auch fünfzig Lire gegeben, nicht wahr?«
    »Okay, okay.«
    Der Schwarze stand mürrisch auf und ging weg. Dick blieb in noch üblerer Laune zurück. Aber dann sah er ein Mädchen, das ihm von der anderen Seite des Raumes her zulächelte, und sofort verschwanden die blassen römischen Gestalten um ihn herum in angemessener Bescheidenheit aus seinen Augen. Es handelte sich um eine junge Engländerin mit blondem Haar und einem gesunden, hübschen Gesicht. Sie lächelte ihm erneut zu, es war eine Einladung, die er verstand: ein Lächeln, das alle Fleischeslust leugnete, selbst wenn es sie anbot.
    »Na, wenn das kein schneller Stich ist, weiß ich nicht mehr, wie Bridge geht«, sagte Collis.
    Dick stand auf und ging auf die junge Frau zu. »Wollen Sie nicht tanzen?«
    Der ältere Engländer, mit dem sie zusammensaß, sagte beinahe entschuldigend: »Ich wollte gleich gehen.«
    Von der

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