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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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– gott–«
    Bei alledem wurde er weiter durch den blutigen Nebel gezerrt über alle möglichen Hindernisse, schluchzend und würgend, bis er in einem engen Raum war, wo man ihn auf den Steinboden fallen ließ. Die Männer gingen weg, eine Tür rumpelte und dann war er allein.

23
    Bis ein Uhr morgens lag Baby Warren im Bett und las eine von Mary Crawfords eigenartig seelenlosen römischen Geschichten; dann stand sie noch einmal auf, trat ans Fenster und sah auf die Straße hinunter. Auf der anderen Straßenseite pendelten zwei Carabinieri in voluminösen Capes und Harlekin-Hüten grotesk hin und her, wie das Segel am Mastbaum. Bei ihrem Anblick dachte sie an den Gardeoffizier, der sie beim Mittagessen so intensiv angestarrt hatte. Er hatte die ganze Arroganz eines hoch gewachsenen Mannes in einer kleinwüchsigen Rasse gezeigt, der keine andere Verpflichtung hatte, als stattlich zu sein. Wäre er zu ihr herübergekommen und hätte gesagt: »Lass |347| uns denn gehen, dich und mich«, 1* hätte sie geantwortet: »Warum nicht?« Zumindest schien ihr das jetzt so, denn sie war in der ungewohnten Umgebung immer noch quasi körperlos.
    Ihre Gedanken kehrten von dem Gardeoffizier zu den beiden Carabinieri zurück, sogar an Dick dachte sie   – ehe sie wieder ins Bett zurückkehrte und das Licht löschte.
    Kurz vor vier wurde sie von einem heftigen Klopfen geweckt.
    »Ja«, rief sie. »Was ist denn los?«
    »Hier ist der Portier, Madame.«
    Sie zog ihren Kimono an und trat ihm schläfrig entgegen.
    »Ihr Freund Deever, er ist in Schwierigkeiten. Er hat Ärger mit der Polizei, und sie haben ihn eingesperrt. Er hat einen Taxifahrer geschickt. Er sagt, man hätte ihm zweihundert Lire versprochen.« Der Portier wartete vorsichtig, bis das akzeptiert wurde. »Der Fahrer sagt, Mister Deever in große Problem. Er hatte Schlägerei mit Polizei und schrecklich schlimm wehgetan.«
    »Ich komme gleich runter.«
    Ihr Herz schlug ängstlich, als sie sich anzog und zehn Minuten später trat sie aus dem Aufzug in die dunkle Hotelhalle. Der Chauffeur, der die Nachricht gebracht hatte, war nicht mehr da; der Portier beschaffte ein anderes Taxi und nannte ihm die Adresse des Stadtgefängnisses.
    Während der Fahrt begann die Dunkelheit sich zu heben und draußen wurde es heller, Babys kaum erwachte Nerven bebten unter dem Widerstreit von Nacht und Tag. Sie hatte das Gefühl, mit dem heraufkommenden Tag um die Wette zu laufen. Auf den breiten Boulevards schien sie einen Vorsprung zu haben, aber wann immer das Ding, das da |348| heraufstieg, einen Augenblick innehielt, setzten ungeduldige Windböen ein und der schleichende Vormarsch des Lichts begann wieder von Neuem.
    Das Taxi fuhr an einer lauten Fontäne vorbei, die im Schatten dahinplätscherte, bog in eine schmale Gasse ein, die so gewunden war, dass die Gebäude sich krümmen mussten, um ihr zu folgen, und holperte über ratterndes Kopfsteinpflaster, bis es ruckartig vor zwei hell erleuchteten Schilderhäuschen anhielt, die sich von einer Wand grüner Feuchtigkeit abhoben. Aus der violetten Dunkelheit eines Torbogens kam plötzlich Dicks kreischende, schrille Stimme.
    »Sind da irgendwelche Engländer? Sind da Amerikaner? Sind Engländer da? Sind da irgendwelche   – oh, mein Gott! Ihr dreckigen Spaghettifresser!«
    Seine Stimme erstarb, und sie hörte dumpfe Schläge, die an die Tür hämmerten. Dann erhob sich die Stimme von Neuem.
    »Sind da Engländer? Sind da Amerikaner?«
    Sie folgte der Stimme durch den Torbogen und gelangte auf einen Hof, wirbelte in momentaner Verwirrung herum und entdeckte schließlich den kleinen Wachraum, aus dem die Schreie herausdrangen. Zwei Carabinieri sprangen rasch auf die Füße, aber Baby schob sich an ihnen vorbei und stellte sich vor die Zellentür.
    »Dick!«, rief sie. »Was ist denn los?«
    »Sie haben mein Auge ausgeschlagen«, schrie er. »Sie haben mich gefesselt und dann verprügelt, diese gottverdammten   – die   –«
    Baby fuhr herum wie der Blitz und ging auf die Carabinieri los. »Was habt ihr mit ihm gemacht?«, fauchte sie so zornig, dass die Männer vor ihrer Wildheit zurückwichen.
    |349|
»Non capisco l’inglese.«
    Sie wechselte ins Französische, um sie zu beschimpfen. Ihre selbstbewusste, heftige Rage erfüllte den Raum, bis sie zusammenschrumpften und aus den Kleidern der Schuld herauszuschlüpfen versuchten, in die sie von Baby gesteckt wurden.
    »Los, tun Sie was! Unternehmen Sie etwas!«
    »Wir können nichts tun,

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