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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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dicht auf den Leib, dass er ihn wegstoßen musste.
    »Ich will ins ›Hotel Quirinal‹.«
    »Er sagt, er will hundert Lire«, erklärte der Dolmetsch.
    »Ich weiß. Ich geb ihm fünzich.« Er musste erneut den Drängler wegschieben: »Geh weg, du.« Der Mann schaute ihn an und spuckte verächtlich aus.
    Die ganze leidenschaftliche Ungeduld der letzten Woche ballte sich zu einem gewaltigen Blitz und Donnerwetter in Dick zusammen, und so griff er zu den traditionellen und ehrenwerten Mitteln seiner amerikanischen Heimat, machte einen Schritt vorwärts und schlug dem Mann ins Gesicht.
    Sie umringten ihn drohend mit schwingenden Armen und versuchten vergeblich, an ihn heranzukommen   – Dick |344| stand mit dem Rücken zur Wand, schlug ungeschickt um sich und lachte ein bisschen dabei. Der Kampf   – eine Angelegenheit von verhinderten Vorstößen und ungezielten, wattierten Schlägen wogte vor der Tür hin und her, bis Dick stolperte und hinfiel. Er hatte sich irgendwo wehgetan, kämpfte sich aber wieder hoch, und die Arme, die ihn umklammerten, ließen ihn plötzlich los. Es gab eine neue Stimme und neue Auseinandersetzungen, aber er lehnte bloß keuchend und wütend über seine unwürdige Lage an der Wand. Er wusste, dass er keine Sympathie erwarten konnte, aber er konnte auch nicht glauben, dass er im Unrecht war.
    Man würde zur Polizeiwache gehen, und die Sache dort klären. Sein Hut wurde aufgehoben und ihm überreicht, jemand hielt leicht seinen Arm, und so ging er mit den Taxifahrern um die Ecke zu einem kahlen Gebäude, wo unter einer einzelnen Glühbirne die Carabinieri herumsaßen.
    Der Hauptmann saß hinter seinem Schreibtisch, und das geschäftige Individuum, das die Schlacht gestoppt hatte, legte ihm die Sache ausführlich auf Italienisch dar, ließ sich aber bereitwillig unterbrechen, wenn die Taxifahrer mit kurzen Salven von Beschimpfungen und Beschuldigungen dazwischenfunkten. Der Hauptmann begann ungeduldig zu nicken und hob die Hand. Nach einigen abschließenden Ausrufen verstummte die Klage der vielköpfigen Hydra allmählich, und der Hauptmann wandte sich Dick zu.
    »Sprechen
Italiano
?«, fragte er.
    »No.«
    »Sprechen
Français

    »Oui«
, sagte Dick finster.
    »Alors. Écoute. Va au ›Quirinal‹. Espèce d’endormi.
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Écoute: vous êtes saoul. Payez ce que le chauffeur demande. Comprenez-vous?«
    Diver schüttelte den Kopf.
»Non, je ne veux pas.«
    »Come?«
    »Je paierai quarante lires. C’est bien assez.«
    Der Hauptmann stand auf.
»Écoute!«
, schrie er unheilverkündend.
»Vous êtes saoul. Vous avez battu le chauffeur. Comme ci, comme ça.«
Er schlug mit der Rechten und Linken aufgeregt in die Luft.
»C’est bon que je vous donne la liberté. Payez ce qu’il a dit   – cento lire. Va au ›Quirinal‹.«
    »Na schön.« Die Demütigung machte Dick rasend. Er starrte den Hauptmann wütend an, dann drehte er blindlings zur Tür ab. Vor ihm stand mit einem hämischen Grinsen und Nicken der Mann, der ihn auf die Wache geführt hatte. »Ich gehe nach Hause«, brüllte Dick. »Aber erst versorge ich dieses Baby!«
    Er marschierte an den verblüfften Carabinieri vorbei und setzte dem Grinsemann eine krachende Linke neben das Kinn. Der Mann ging zu Boden.
    Einen Augenblick lang stand er in wildem Triumph über ihm   – aber noch ehe der erste Zweifel aufkeimte, geriet die Welt in Bewegung; er wurde niedergeknüppelt und in einem brutalen Trommelwirbel mit Fäusten und Stiefeln bearbeitet. Er spürte, wie seine Nase brach und seine Augen wie an einem Gummiband in seinen Schädel zurückschnellten. Unter einem stampfenden Absatz zerbrach eine Rippe. Er verlor das Bewusstsein und wurde erst wieder wach, als er hochgezerrt wurde und die Männer ihm Handschellen anlegten. Er wehrte sich ganz mechanisch. Der Beamte in Zivil, den er niedergeschlagen hatte, tupfte sich das Kinn mit einem Taschentuch ab, in dem er vergeblich |346| nach Blut suchte; dann kam er zu Dick herüber, sammelte sich, holte aus und schlug ihn zu Boden.
    Als Doktor Diver endlich ganz still lag, wurde ein Eimer Wasser über ihm ausgekippt. Eines seiner Augen öffnete sich trübe, als er an den gefesselten Handgelenken durch einen blutigen Nebel geschleift wurde, und er sah das ebenso geisterhafte wie menschliche Gesicht eines der Taxifahrer.
    »Fahren Sie zum ›Excelsior‹«, rief er mit schwacher Stimme. »Sagen Sie Miss Warren Bescheid! Zweihundert Lire! Miss Warren.
Due cento lire!
Oh, du dreckiger  

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