Zaertlich ist die Nacht
bis wir Befehle haben.«
»Na schön!
Bene! Bai-nee!
«
Erneut ließ Baby ihre Leidenschaft um sie herumlodern, bis die Männer Entschuldigungen für ihre Ohnmacht ausschwitzten und sich gegenseitig mit dem Gefühl ansahen, dass alles schrecklich schiefgelaufen war. Baby trat an die Zellentür, lehnte sich dagegen, streichelte sie beinahe, als könnte sie Dick auf diese Weise ihre Macht und Gegenwart spüren lassen. »Ich fahre zur Botschaft. Bin gleich wieder da.« Sie warf den Carabinieri einen letzten bedrohlichen Blick zu und rannte hinaus.
Sie fuhr zur amerikanischen Botschaft, wo sie dem Taxifahrer auf dessen Verlangen sein Geld gab. Es war immer noch dunkel, als sie die Stufen hinauflief und auf den Klingelknopf drückte. Sie hatte schon dreimal gedrückt, ehe schließlich ein schläfriger englischer Butler die Tür öffnete.
»Ich will mit jemandem reden«, sagte sie. »Irgendjemand – aber sofort.«
»Es ist niemand wach, Madame. Wir machen erst um neun auf.«
Ungeduldig wischte sie diese Zeitangabe beiseite. »Es ist wichtig. Ein Mann – ein Amerikaner – ist zusammengeschlagen worden. Er ist in einem italienischen Gefängnis.«
|350| »Es ist noch niemand wach. Um neun –«
»Ich kann nicht warten. Sie haben meinem Schwager das Auge ausgeschlagen, und sie lassen ihn nicht aus dem Gefängnis. Ich muss mit jemandem reden – kapieren Sie das nicht? Sind Sie gestört? Oder geistig behindert, oder warum machen Sie so ein Gesicht?«
»Ich bin nicht in der Lage, etwas zu tun, Madame.«
»Sie müssen jemanden wecken!« Sie packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn heftig. »Es geht um Leben und Tod. Wenn Sie nicht jemanden aufwecken, geht’s Ihnen schlecht –«
»Seien Sie bitte so freundlich, mich nicht anzufassen, Madame.«
Von oben und hinter dem Butler drang eine müde amerikanische Oberklassenstimme herunter. »Was ist denn da unten los?«
Der Butler war höchst erleichtert. »Es ist eine Lady, Sir, und sie hat mich geschüttelt.« Er hatte einen Schritt rückwärts gemacht, um zu antworten, und Baby stieß in die Halle vor. Auf dem Treppenabsatz, eben erst aus dem Schlaf aufgeschreckt und in einen weißen, bestickten persischen Morgenmantel gehüllt, stand ein außergewöhnlicher junger Mann. Sein Gesicht war von einem monströsen und unnatürlichen Rosa, das lebhaft, aber doch irgendwie tot schien, und über seinem Mund war etwas befestigt, das wie ein Knebel aussah. Als er Baby bemerkte, wich er mit dem Kopf in den Schatten zurück.
»Worum geht’s?«, fragte er.
Baby erklärte es ihm und bewegte sich in ihrer Aufregung dabei auf die Treppe zu. Im Verlauf ihrer Darlegungen merkte sie, dass der »Knebel« in Wirklichkeit eine |351| Bartbinde war und dass die rosa Farbe des Mannes sich darauf zurückführen ließ, dass sein Gesicht mit Cold Cream bedeckt war. Aber das fügte sich ohne Weiteres in den Albtraum. Es ginge jetzt darum, rief sie voller Emphase, dass er sofort mit ihr zum Gefängnis gehen und Dick herausholen müsse.
»Das ist eine schlimme Angelegenheit«, sagte er.
»Ja«, gab sie zu, um ihn zu beschwichtigen. »Und jetzt?«
»Dieser Widerstand gegen die Polizei …« Ein Unterton von persönlichem Beleidigtsein kroch in seine Stimme. »Ich fürchte, vor neun Uhr kann man da nichts tun.«
»Neun Uhr?«, wiederholte Baby entsetzt. »Aber Sie können doch bestimmt etwas tun! Sie können mit mir zum Gefängnis fahren und dafür sorgen, dass sie ihm nicht weiter wehtun.«
»Etwas Derartiges zu tun, sind wir nicht berechtigt. Solche Angelegenheiten sind Sache des Konsulats. Und das Konsulat öffnet um neun.«
Sein von der Bartbinde zu völliger Unbeweglichkeit zusammengepresstes Gesicht versetzte Baby in heftigen Zorn. »Bis neun Uhr kann ich nicht warten. Mein Schwager sagt, sie haben ihm ein Auge ausgeschlagen – er ist schwer verletzt! Ich muss zu ihm. Ich muss einen Arzt holen.« Sie ließ ihrer Wut freien Lauf und fing an zu heulen, denn sie ahnte, dass er auf ihre Erregung stärker reagieren würde als auf ihre Worte. »Sie müssen etwas unternehmen. Es ist doch Ihre Aufgabe, amerikanischen Bürgern zu helfen.«
Aber der Mann war zu hart für sie, er kam von der Ostküste. Er schüttelte geduldig den Kopf, weil sie seine Haltung offenbar nicht verstand, wickelte sich etwas fester in seinen persischen Morgenmantel und kam ein paar Schritte herunter.
|352| »Schreiben Sie der Dame die Adresse des Konsulats auf«, sagte er zu seinem
Weitere Kostenlose Bücher