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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Caroline um, die, inzwischen gänzlich wiederhergestellt, vor Selbstgerechtigkeit geradezu platzte. »Das ganze war ein Skandal. Und Sie hatten keinerlei Befugnis, diesen Leuten hundert Dollar für mich zu geben.«
    Der kleine Monsieur Gausse stand neben dem Wagen und seine Augen funkelten plötzlich vor Wut. »Sie wollen mich nicht bezahlen?«
    »Natürlich wird sie das«, beruhigte Dick.
    Aber inzwischen hatte die Erinnerung an die Demütigungen, die Monsieur Gausse einst als Aushilfskellner in London erlitten hatte, seine Empörung zu hellen Flammen auflodern lassen.
    |463| Er ging im Mondlicht aufgeregt auf Lady Caroline zu und schleuderte ihr eine Kette von Flüchen entgegen. Und als sie sich mit einem gefrorenen Lachen abwandte, machte er einen Schritt hinter ihr her und pflanzte ihr seinen zierlichen Fuß mit einem raschen Tritt in das prominente Gesäß.
    Die völlig überraschte Lady riss die Arme hoch, als hätte ein Schuss sie getroffen, und segelte in ihrer Matrosenuniform kopfüber auf das Trottoir.
    Noch ehe sie anfangen konnte zu toben, rief Dick: »Mary, sorg dafür, dass sie die Klappe hält! Sonst steckt ihr beide in zehn Minuten in Fußeisen.«
    Auf dem Rückweg zu seinem Hotel sagte der alte Gausse kein Wort mehr bis sie am Casino von Juan-les-Pins vorbei waren, das auch zu dieser späten Stunde noch vor Jazzmusik stöhnte und keuchte; dann seufzte er.
    »Solche Frauen habe ich noch nie gesehen. Ich habe viele große Kurtisanen von Welt gekannt, und für viele von ihnen hege ich einen großen Respekt. Aber Frauen wie diese habe ich noch nie gesehen.«

11
    Dick und Nicole waren es gewohnt, zusammen zum Friseur zu gehen und sich in benachbarten Räumen die Haare waschen und schneiden zu lassen. Nicole konnte das Klappern der Scheren auf Dicks Seite hören, das Zählen des Wechselgelds, die vielen
Voilàs
und
Pardons
. Am Tag nach seiner Rückkehr fuhren sie hinunter nach Cannes, um sich in der parfümierten Brise der Ventilatoren im »Carlton Hotel« schamponieren und scheren zu lassen.
    |464| Vor dem Hotel, dessen geschlossene Fenster im Sommer immer noch so abweisend waren wie Kellertüren, fuhr plötzlich ein Wagen vorbei, in dem Tommy Barban saß. Nicole beobachtete, wie seine eben noch verschlossene, nachdenkliche Miene sich jäh erhellte und wie er die Augen aufriss, als er sie erblickte. Sofort wollte sie bei ihm sein und mit ihm fahren. Die Stunde beim Friseur erschien ihr als vergeudete Zeit, als eine jener Pausen, aus denen ihr ganzes Leben bestand, ein weiteres kleines Gefängnis. Die Friseuse in ihrer weißen Uniform, die ein wenig Lippenstift, Rouge und Eau de Cologne ausdünstete, erinnerte sie an die vielen Krankenschwestern.
    Im Nebenzimmer döste Dick unter seinem Umhang und einem Berg von Rasierschaum. Nicoles Spiegel zeigte die Passage zwischen dem Damen- und Herrensalon, und voller Schrecken sah sie plötzlich Tommy hereinkommen und mit einer scharfen Kehrtwende in der Herrenabteilung verschwinden. Dann wurde ihr mit einem freudigen Erröten bewusst, dass es jetzt zu irgendeiner Art Showdown kommen würde.
    Sie hörte den Anfang nur bruchstückweise.
    »Hallo, ich muss mit dir reden.«
    »…   ernsthaft?«
    »…   ernsthaft.«
    »…   sehr angenehm.«
    Einen Augenblick später kam Dick zu Nicole in den Damensalon, wischte sich hastig mit einem Handtuch den Schaum ab und sah ziemlich ärgerlich aus.
    »Dein Freund hat sich in irgendetwas hineingesteigert. Er will unbedingt mit uns reden, ich habe ja gesagt, damit wir es hinter uns bringen. Komm mit!«
    »Aber mein Haar ist nass und nur halb geschnitten.«
    |465| »Das ist egal   – komm jetzt!«
    Ärgerlich ließ sie sich von der schockierten Friseuse aus ihrem Umhang wickeln und folgte Dick aus dem Hotel. Sie fühlte sich schmutzig und ungeschmückt. Tommy wartete draußen, verneigte sich und beugte sich über ihre Hand.
    »Am besten gehen wir ins ›Café des Alliées‹«, sagte Dick.
    »Das Wichtigste ist, dass wir allein sind«, stimmte Tommy zu.
    Unter den überhängenden Bäumen, die im Sommer so wichtig waren, fragte Dick: »Möchtest du etwas trinken, Nicole?«
    »Einen Zitronensaft.«
    »Für mich eine Halbe«, sagte Tommy.
    »Für mich einen Black & White mit Syphon«, sagte Dick.
    »Il n’y a plus de Blackenwite. Nous n’avons que le Johnny Walkair.«
    »Geht auch.«
    She’s   – not   – wired for sound
    But on the quiet
    You ought to try it   –
    »Deine Frau liebt dich nicht«, sagte Tommy abrupt.

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