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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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gut, Sie werden schon sehen.«
    Er stand auf, und während ihm die Situation klar wurde, sagten ihm seine Erfahrungen mit sich selbst, dass er sich darauf einlassen würde. Die alte fatale Gefälligkeit und Gefallsucht erhob ihr Haupt und schrie: »Nutzt mich nur aus!« Er würde diese Angelegenheit klären müssen, obwohl sie ihm völlig egal war, einfach weil er sich daran gewöhnt hatte, dass man ihn liebte.
    Begonnen hatte das wahrscheinlich vor zehn Jahren, als ihm bewusst wurde, dass er die letzte Hoffnung eines sterbenden Clans war. Als er damals in Dohmlers Klinik am Zürichsee, in einer ganz ähnlichen Situation, seine Macht erkannte, hatte er eine Wahl getroffen: Ophelia. Er hatte das süße Gift gewählt und getrunken. Er hatte tapfer und gütig sein wollen, aber noch mehr: Er hatte geliebt werden wollen. So war es gewesen.
    Und so würde es immer sein, das begriff er jetzt, als er den Hörer auflegte und das altmodische Telefon langsam ausklingelte.
    Eine lange Pause entstand.
    »Was ist los? Wer hat da angerufen?«, rief Nicole.
    Dick war schon dabei, sich anzuziehen. »Das Polizeirevier in Antibes   – sie haben Mary North und diese Sibly-Biers verhaftet. Es scheint ernst zu sein   – der Beamte wollte |458| nicht mit der Sprache rausrücken; er hat immer nur gesagt:
›Pas des mortes, pas d’automobiles‹
, aber es klang so, als könnte es alles Mögliche andere sein.«
    »Und warum haben sie ausgerechnet
dich
angerufen? Das finde ich reichlich merkwürdig.«
    »Damit es keinen Skandal gibt, müssen sie so schnell wie möglich da raus; und eine Kaution kann nur jemand stellen, der Grundbesitzer im Departement Alpes Maritimes ist.«
    »Die haben ja Nerven.«
    »Mir macht es nichts aus. Aber ich werde im Hotel vorbeifahren und Monsieur Gausse mitnehmen   –«
    Nicole blieb wach, als er gefahren war, und fragte sich, was für ein Vergehen die beiden begangen hatten; aber irgendwann schlief sie doch ein. Als Dick gegen vier Uhr wieder zurückkam, schreckte sie hoch. »Was?«, fragte sie, als wäre er eine Gestalt aus ihrem Traum.
    »Eine außergewöhnliche Story   –«, erklärte Dick. Er setzte sich ans Fußende ihres Bettes und erzählte ihr, wie er Gausse aus seinem tiefen, elsässischen Koma geweckt und dazu gebracht hatte, sämtliches Bargeld aus der Kasse zu holen und mit ihm zur Polizei zu fahren.
    »Ich hab keine Lust, für diese Engländerin etwas zu tun«, knurrte Gausse.
    Mary North und Lady Caroline saßen, gekleidet wie französische Matrosen, auf einer Bank außerhalb der beiden schmutzigen Arrestzellen. Die Lady sah so empört aus, als erwarte sie, dass jeden Augenblick die britische Mittelmeerflotte zu ihrer Rettung aufkreuzte. Mary Minghetti hingegen schwankte zwischen Panik und Nervenzusammenbruch   – sie klammerte sich an Dicks Magen, als wäre das der Bereich größter Nähe, und flehte ihn an, etwas zu unternehmen.
    |459| Unterdessen erklärte der Kommandant dem Hotelbesitzer die Situation. Gausse hörte ebenso widerwillig wie aufmerksam zu, einerseits musste er das erzählerische Talent des Capitaines würdigen, andererseits musste er demonstrieren, dass er sich als routinierter Hotelier von nichts überraschen ließ.
    »Es war doch nur ein Spaß«, sagte Lady Caroline zornig. »Wir haben uns als Matrosen auf Urlaub verkleidet und zwei alberne Mädchen aufgegabelt. Dann haben die Schiss gekriegt und in diesem Stundenhotel eine Riesenszene gemacht.«
    Dick nickte ernst. Er hatte den Blick auf den Fliesenboden gerichtet wie ein Priester im Beichtstuhl und war hin und her gerissen. Einerseits hätte er gern laut gelacht, aber noch lieber hätte er fünfzig Peitschenhiebe und vierzehn Tage bei Wasser und Brot für die Damen verordnet. Das fehlende Schuldbewusstsein bei Lady Caroline verblüffte ihn; sie schien alle Schuld bei den zimperlichen provenzalischen Mädchen und den dummen Polizisten zu suchen. Andererseits war Dick schon seit Längerem überzeugt, dass alle Engländer einer bestimmten Schicht von einer so essenziellen Unmoral waren, dass alle Unzucht New Yorks dagegen so harmlos erschien wie das Bauchweh eines Kleinkinds, das zu viel Eiscreme gefuttert hat.
    »Ich muss hier raus, ehe Hosain von der Sache erfährt«, bettelte Mary. »Dick, du kannst solche Dinge doch regeln   – das hast du schon immer gekonnt. Sag ihnen, wir fahren sofort nach Hause, sag ihnen, wir zahlen jeden Betrag.«
    »Nichts werde ich zahlen«, sagte Lady Caroline verächtlich. »Keinen

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