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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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nächsten noch mehr. Auf dem vierten hielt sie auf halbem Weg inne und gab ihm nur einen kleinen Abschiedskuss. Auf sein Drängen hin musste sie aber noch einmal bis zum dritten mit ihm hinuntergehen für eine Minute. Danach ging es nur noch nach oben. Schließlich trennten sie sich   – die Arme lang ausgestreckt übers Geländer, bis ihre Finger auseinanderglitten.
    Dick ging wieder hinunter, um für den Abend noch etwas zu arrangieren; Rosemary rannte zu ihrem Zimmer, um einen Brief an ihre Mutter zu schreiben. Sie hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil sie ihre Mutter so gar nicht vermisste.

18
    Obwohl den Divers jedwede Mode recht gleichgültig war, waren sie doch zu klug, um den Pulsschlag der Gegenwart gänzlich zu ignorieren. Bei seinen Partys ging es Dick um Erregung, und ein bisschen frische Nachtluft war umso reizvoller, wenn sie in den Atempausen zwischen aufregenden Abenteuern genossen wurde.
    In dieser Nacht lief die Party mit dem Tempo einer Slapstick-Komödie |120| ab. Mal waren sie zwölf, mal waren sie sechzehn, mal saßen sie jeweils zu viert in getrennten Automobilen bei ihrer rasenden Odyssee durch Paris. Alles war gut geplant. Immer neue Begleiter schlossen sich ihnen an, um als Spezialisten und Reiseführer zu dienen, dann gingen sie in der nächsten Phase wieder verloren und wurden durch andere Leute ersetzt, sodass man den Eindruck gewann, sie hätten ihre Frische den ganzen Tag für sie aufgespart.
    Rosemary wusste es zu schätzen, wie anders dieses Fest als jede von der Größe her noch so glänzende Party in Hollywood war. Neben anderen Unterhaltungen gab es den Wagen des Schahs von Persien. Wo Dick dieses Fahrzeug requiriert und welche Formen der Bestechung er dabei eingesetzt hatte, war irrelevant. Rosemary betrachtete auch das nur als Facette des Fantastischen, das seit zwei Jahren ihr Leben bestimmte. Der Wagen war auf einem speziellen Fahrgestell in Amerika aufgebaut worden. Die Radkappen und der Kühlergrill waren aus Silber. Das Innere der Karosserie war mit zahllosen falschen Brillanten besetzt, die in der folgenden Woche, wenn der Wagen in Teheran eintraf, vom Hofjuwelier durch echte ersetzt werden sollten. Im Fond gab es nur einen einzigen richtigen Sitz, denn der Schah musste natürlich allein fahren; deshalb nahmen sie abwechselnd auf diesem Thron Platz, während der Rest auf dem Marderfell saß, das den Boden bedeckte.
    Aber vor allem war Dick da. Rosemary versicherte dem inneren Bild ihrer Mutter, das sie immer bei sich trug, dass sie noch nie, nie jemanden kennengelernt hatte, der so nett, so zutiefst nett gewesen wäre wie Dick in dieser einzigartigen Nacht. Sie verglich ihn mit den beiden Engländern, die Abe beharrlich als »Major Hengist and Mr Horsa« anredete, |121| mit dem skandinavischen Thronerben, mit dem Romancier, der gerade aus Russland zurückgekehrt war, mit Abe, der geradezu verzweifelt witzig war, und mit Collis Clay, der sich auch irgendwo angehängt hatte   – und fand, dass es keinen Vergleich gab. Die Begeisterung und Selbstlosigkeit hinter seiner Vorstellung überwältigten sie. Seine Technik, so viele verschiedene Charaktere in Bewegung zu halten, die für sich genommen so unbeweglich und von seiner Aufmerksamkeit abhängig waren wie ein Infanteriebataillon vom geordneten Nachschub, erschien so unangestrengt, dass er immer noch Teile seiner eigenen Persönlichkeit für jedermann zur Verfügung hatte.
    – Später sollte sie sich an die glücklichsten Momente erinnern. Der erste war, als sie mit Dick getanzt und gespürt hatte, wie ihre hell sprühende Schönheit von seinem großen, kräftigen Körper zum Schweben gebracht wurde. Er drehte sie mit zarten Andeutungen hierhin und dorthin wie einen Blumenstrauß oder einen kostbaren Stoff, der vor fünfzig Augenpaaren zur Schau gestellt wird. Es gab sogar einen Moment, in dem sie gar nicht mehr tanzten, sondern sich nur aneinanderschmiegten. Irgendwann in den frühen Morgenstunden waren sie dann allein, und ihr feuchter, puderiger junger Körper presste sich in einem Gedränge zerknitterter Kleider an ihn und blieb dort, vom Gewicht der Hüte und Mäntel anderer Leute beinahe zerdrückt   …
    Am meisten gelacht hatte sie später, als sechs der Besten von ihnen, die edlen Überlebenden der Nacht, in der dämmrigen Eingangshalle des Ritz standen und dem Nachtportier erklärten, dass General Pershing draußen stünde und Kaviar und Champagner serviert haben wolle. »Er duldet keine Verzögerung.

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