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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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sagte Rosemary. »War es das Glas Champagner? Ich habe so etwas noch nie getan.«
    »Du hast nur gesagt, dass du mich liebst.«
    »Ich liebe dich, ja   – das kann ich nicht ändern.« Jetzt war es an der Zeit, wieder zu weinen; und so weinte Rosemary ein wenig ins Taschentuch.
    »Ich fürchte, ich habe mich in dich verliebt«, sagte Dick. »Das ist nicht gut.«
    Wieder die Namen   – dann prallten sie aufeinander, als hätte sie das Taxi zusammengeschleudert. Rosemarys Brüste quetschten sich an ihm platt, aber ihr Mund war so neu |117| und warm, als gehörte er ihnen gemeinsam. Mit schmerzlicher Erleichterung hörten sie auf zu denken und schlossen die Augen; sie atmeten nur noch und suchten einander. Beide waren sie in der sanften, grauen Welt einer leichten Übermüdung, wenn sich die Nerven in Bündeln entspannen wie die Saiten eines Klaviers oder knistern wie Korbstühle. Nerven, die so wund und empfindlich waren, mussten sich einfach mit anderen verbinden: Brust an Brust und Lippe an Lippe   …
    Sie befanden sich im glücklicheren Stadium der Liebe. Sie waren voller schöner Illusionen über einander, die so gewaltig waren, dass ihre Vereinigung sich auf einer Ebene zu befinden schien, auf der alle anderen Beziehungen nicht mehr zählten. Sie waren beide mit einer außergewöhnlichen Unschuld dorthin gelangt, es schien, als hätte sie das Schicksal zusammengeworfen, genauer gesagt: eine so lange Reihe von Zufällen, dass sie am Ende den Schluss daraus ziehen konnten, sie wären für einander bestimmt. Sie waren, so schien es, ganz unschuldig in diese Lage geraten, ohne Heimlichtuerei oder Neugier.
    Für Dick allerdings war dieser Teil der Strecke nur kurz; der Wendepunkt kam, noch bevor sie das Hotel erreicht hatten. »Ich kann nichts dagegen tun«, sagte er mit einem Gefühl der Panik. »Ich habe mich in dich verliebt, aber das ändert nichts an dem, was ich gestern Abend gesagt habe.«
    »Das ist jetzt ohne Bedeutung. Ich wollte bloß, dass du mich liebst   – wenn du mich liebst, ist alles gut.«
    »Das tue ich leider. Aber Nicole darf es nicht wissen   – sie darf es nicht einmal ahnen. Nicole und ich müssen zusammen weitermachen, gemeinsam. In gewisser Weise ist das wichtiger, als lediglich weitermachen zu wollen.«
    »Küss mich noch einmal.«
    |118| Er küsste sie, aber er hatte sie in diesem Moment schon verlassen.
    »Nicole darf nicht leiden   – sie liebt mich, und ich liebe sie   – das verstehst du bestimmt.«
    Sie verstand es   – es gehörte zu den Dingen, die sie verstand: Leute nicht zu verletzen. Sie wusste, dass die Divers sich liebten, weil sie von vornherein davon ausgegangen war. Sie hatte allerdings angenommen, dass die Beziehung sich bereits abgekühlt hatte und überhaupt mehr so war wie ihre eigene Liebe zu ihrer Mutter. War es nicht ein Zeichen für mangelnde innere Intensität, wenn Leute sich so um Außenstehende kümmerten?
    »Und ich meine tatsächlich Liebe«, sagte er, weil er ihre Gedanken erriet. »Aktive Liebe. Es ist schwieriger, als ich dir erklären kann. Das war auch der Grund für dieses verrückte Duell.«
    »Woher weißt du von diesem Duell? Ich dachte, das sollten wir euch verheimlichen?«
    »Glaubst du, Abe könnte ein Geheimnis bewahren?« Er wurde sarkastisch. »Du kannst ein Geheimnis im Radio verkünden oder in der Boulevardpresse drucken, aber auf keinen Fall darfst du es jemand erzählen, der mehr als drei oder vier Gläser am Tag trinkt.«
    Sie lachte zustimmend und blieb ihm ganz nahe.
    »Du verstehst also, meine Beziehung zu Nicole ist kompliziert. Nicole ist nicht stark   – sie sieht zwar stark aus, aber sie ist es nicht. Und das macht alles recht schlimm.«
    »Ach, sag das später! Jetzt küss mich, jetzt lieb mich! Ich liebe dich und werd es Nicole niemals sehen lassen.«
    »Du bist ein Schatz.«
    Sie erreichten das Hotel, und Rosemary ging ein paar Schritte hinter ihm, um ihn zu bewundern und anzubeten. |119| Sein Gang war federnd, als käme er gerade von großen Taten und eilte zu neuen. Als Veranstalter privater Vergnügungen und Beschaffer üppig vergoldeten Glücks. Sein Hut war perfekt, er trug gelbe Handschuhe und einen schweren Stock. Sie dachte daran, wie viel Spaß sie heute Abend haben würden, wenn sie alle mit ihm zusammen waren.
    Sie rannten die Treppe hinauf   – alle fünf Stockwerke. Auf dem ersten Treppenabsatz blieben sie stehen, um sich zu küssen; auf dem nächsten Absatz war sie ein wenig vorsichtiger, auf dem

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