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Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Titel: Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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küssen, bis sie vor Lust seufzte. Aber solche Gedanken waren Wahnsinn.
    Obwohl seine Oberschenkelmuskeln protestierend zitterten, wich er zurück. Ihre Hand fiel herab. »Mädchen, ich bin kein Baum. Ich bin nicht einmal ein Mensch. Machen Sie also nicht den Fehler, darauf zu hoffen, dass ich mich wie einer verhalten könnte.«
    Er fand ihren Blick – und erlaubte ihr, seine chaotische Bemühung zu sehen, den Berserker zu bändigen. Er versuchte absichtlich, ihr Angst einzujagen. Denn die Bestie tobte in seinem Inneren, verlangte, von der Leine gelassen zu werden, wozu Kiyoko ihn ermuntert hatte. Die Bestie wollte
sie.
Mit bedingungslosem, heißem Verlangen, das darum bettelte, befriedigt zu werden.
    Meins,
heulte sie.
Meins, meins, meins!
    Als Kiyoko, wie er es vorausgesehen hatte, die Augen unter seinem starren Blick niederschlug, drehte er sich um und verließ den Raum.
     
    Kiyokos Herz raste wie das eines zu Tode erschrockenen Lamms. Er hatte versucht, ihr Angst zu machen, und es war ihm gelungen.
    Ich bin nicht einmal ein Mensch.
    Diese Worte sagten alles. Ehrlich und brutal beschrieben sie Murdoch und sein Verhalten. Kein Selbstmitleid, keine Trauer, keine Kompromisse. Es war schwer, ihn nicht für seine wilde Entschlossenheit und seinen Schwur, niemandem weh zu tun, zu bewundern.
    Aber genau das konnte ihren Untergang bedeuten.
    Während der Meditation hatten sich ihr beim mächtigen Raunen seiner unsterblichen Kraft alle Härchen aufgestellt, doch sie war nicht in der Lage gewesen, diese Kraft anzuzapfen. Die Berserkerkraft, die sie so verzweifelt brauchte, war von einer starren Mauer der Selbstkontrolle umgeben.
    Natürlich war Murdochs Selbstbeherrschung nicht die einzige Barriere.
    Schuldgefühle gehörten auch dazu.
    Die Notwendigkeit, seine Kraft ohne seine ausdrückliche Erlaubnis anzapfen zu müssen, gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber laut Sora würde sie sich ihrer Rolle als Onmyōji entfremden, wenn sie ihre Pläne offenlegte. Und obwohl sie eine solchermaßen zwecklose Zukunft schrecklich quälend fand, schmerzte sie am meisten das Wissen, dass sie den Träumen ihres Vaters eine Absage erteilte. Vom Augenblick ihrer Geburt an, als er für sie in den Sternen gelesen hatte, hatte er sein Leben dem Ziel geweiht, sie ihr Schicksal erfüllen zu sehen.
    Kiyoko griff an das Silbermedaillon an ihrem Hals.
    Ihr Vater war sich ihrer Zukunft so sicher gewesen. So gewiss. Aber um seine Vision Wirklichkeit werden zu lassen, musste sie Murdoch dazu überreden, seinem Berserker die Zügel zu lockern.
    Kiyoko verzog das Gesicht.
    Welches Wunder war wohl nötig, um das zu bewerkstelligen?
    Heute war die Meditation noch gescheitert, aber auf lange Sicht konnten sich die Sitzungen auszahlen. Daher würde sie damit fortfahren. Und als sie den Stoff an seinem Körper berührt hatte, hatte er zweifellos darauf reagiert, wenn auch nicht so stark, wie wenn sie seine nackte Haut angefasst hätte. Wenn sie ihn immer wieder berührte, konnte sie sich vielleicht doch noch an ihn gewöhnen – sofern ihre eigene Reaktion sie nicht überwältigte. Sie hatte ja kaum dem Drang widerstehen können, mit der Hand nach oben zu gleiten, dorthin, wo sein nackter Hals war.
    Ein gefährlicher Wunsch wie aus dem Bilderbuch.
    Die Bestie in ihm war ungeheuer stark. Zwei Mal hatte sie ihn berührt, und zwei Mal hatte sie ein Schwall leuchtender Energie fortgespült. Ein kurzer Augenblick hatte ausgereicht, um jede Zelle ihres Körpers wachzurütteln und sie zu einer Lebendigkeit zu erwecken, die sie nicht kannte. Diese Energie durchfuhr sie innerhalb eines Wimpernschlags, rasch gefolgt von einer Welle der Leidenschaft, die fast genauso stark war.
    Die Sache war nur:
Die Energie fuhr durch sie hindurch.
    Um hinüberzugehen, musste sie diese Kraft kanalisieren – sie sammeln, verinnerlichen und auf ihr aufbauen. Keine leichte Aufgabe.
    »Wie ist es gelaufen?«
    Kiyoko blickte zur Tür.
    Sora stand dort in seiner schwarzen Robe, die Arme in den langen Ärmeln verschränkt.
Er
traute es ihr zu, dass sie es konnte, aber der alte Onmyōji traute ihr ja so ziemlich alles zu.
    »Seine Selbstbeherrschung ist außergewöhnlich«, sagte sie. »Ich bin nicht einmal in seine Aura vorgestoßen – geschweige denn zu dem Berserker unter seiner Haut.«
    Der Ältere legte die Stirn in Falten. »Hat er nicht den Versuch unternommen, eins mit der Welt zu werden?«
    »Doch, schon, aber seine Seelenwächtersinne sind so scharf, dass es nur ein paar

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