Zaertliche Brandung - Roman
müssen.«
»O Gott, Jen, du bringst mich noch um!«, rief Willa aus und umfasste ihren Leib.
»Das kann ich mir sparen«, sagte Jennifer in völlig gefühllosem Ton, »das erledigst du selbst.«
Von Jens Schritten abgesehen, senkte sich durchdringende Stille über das Cottage. Die Tür wurde geöffnet, wurde leise geschlossen, und Willa hörte ihre Nichte über die Veranda und die Stufen hinunterhumpeln.
Sie setzte sich auf den Boden, das Gesicht auf den Knien, und schluchzte hemmungslos. Was hatte sie Jennifer die ganze lange Zeit nach dem Unfall angetan?
Und Cody? Und Shelby? Und sich selbst?
Um zu überleben, hatte sie sich geschützt, sich tief in allen möglichen Ritzen und Spalten des Lebens verborgen, doch war sie bei dem Versuch, sich selbst zu schützen nicht nur total über Bord gegangen, sie hatte alle ihre Lieben mitgezogen.
Schließlich putzte Willa sich die Nase und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen.
»Okay, das reicht. Höchste Zeit, dass du deinem Namen wieder gerecht wirst, Willy Wildes Kind.«
Emmett hatte sie seit ihrer Kinderzeit so genannt, in den letzten Jahren freilich nur selten. Bis … bis Abram auftauchte. Da hatte er wieder damit angefangen, fast als wolle er ihr ins Gedächtnis rufen, wer sie war.
»Zu behutsam, Emmett«, sagte sie schnaubend, »du hättest einen Mast auf meinen Kopf krachen lassen sollen. « Sie seufzte.
»Wie soll ich das nur wieder in Ordnung bringen?«
Sam! Er konnte ihr helfen, was sie Jens wegen unternehmen sollte. Er hatte sich in ihr Leben gedrängt; er konnte also verdammt noch mal zur Hand sein, wenn sie ihn brauchte.
»Du musst ihr nur ein Kind machen.«
Sam spuckte seinen Kaffee zurück in die Tasse und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund, während er um sich blickte, um zu sehen, wie viele Gäste des Lokals Phil Grindles lauten Rat mitbekommen hatten.
»Wie bitte?«, flüsterte Sam und beugte sich über den Tisch.
»Und wozu soll das gut sein?«
»Phil hat recht«, warf Sean ein, sich ebenfalls über den Tisch beugend. Er hatte zumindest so viel Verstand, leise zu sprechen.
»Man weiß ja, dass eine Schwangerschaft die dickköpfigste Frau in ein Lamm verwandelt.«
»Ja«, sagte Phil, der Sean finster ansah, um seine Idee näher zu erläutern.
»Es hat mit diesen vielen Hormonen zu tun, die in den Köpern der Frauen herumschwirren«, sagte er zu Sam.
»Schiebt man ihnen ein Brötchen in den Ofen, werden sie häuslich.«
»Weil sie an nichts anderes mehr denken und sich ans Brüten machen«, setzte Avery Ingall hinzu.
»Mach Willamina ein Kind,« sagte Phil, »und du wirst sehen, dass sie sich über Nacht ändert.« Er wölbte seine eingesunkene Brust.
»Ich habe meine Lizzy auf der Hochzeitsreise geschwängert und danach kein Wort mehr von Arbeit in der Dosenfabrik gehört, damit sie eigenes Geld hat. Von da an hieß es nur Haushalt und Kinder, und ausgegeben hat sie nur das Geld, das sie von mir bekommen hat.«
Sam mahnte sich zur Geduld. Diese Männer waren zwei Generationen älter als er.
»Heutzutage wird eine Frau nicht mehr so leicht schwanger. Schließlich gibt es Verhütung.«
Sean schnaubte.
»Ja, und seither geht es mit der Welt bergab, direkt zur Hölle.«
»Und auch wenn ich deinen Vorschlag erfolgreich
befolge«, fuhr Sam fort, »so bedeutet ein Kind noch lange nicht, dass automatisch eine Hochzeit folgt. Die Zeiten haben sich geändert.«
»Ich sage noch immer, wenn du sie heiraten willst, musst du ihr ein Kind machen«, bestätigte Phil laut.
»Es ist ohnehin das Beste, was dem Mädchen passieren kann. Mit fast dreißig noch ledig herumzulaufen, ist einfach unnatürlich.«
Diese Burschen führten Reden wie im neunzehnten Jahrhundert.
Paul Dubay deutete mit einem knotigen Finger auf Sam.
»Dein Großvater hat gewusst, was er wollte. Du musst nur dafür sorgen, dass Willamina sich an das Testament hält. Und wenn sie deine Frau ist, wird sie dein Unternehmen stützen müssen, so will es das Gesetz. Ehefrauen dürfen ihren Männern nicht öffentlich widersprechen. « Paul zuckte mit einer knochigen Schulter.
»Vielleicht darf sie dann wieder zu den Gemeindesitzungen kommen.«
»Paul, da verwechselst du etwas«, berichtigte Avery kichernd, »Frauen können nicht als Zeuginnen gegen ihre Männer aussagen, aber kein Gesetz verbietet ihnen, uns zu widersprechen, in aller Öffentlichkeit oder unter vier Augen.«
»Spielt keine Rolle«, sagte Sean zu Avery, »aber Paul hat mit Abrams Testament
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