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Zärtliche Wildnis

Zärtliche Wildnis

Titel: Zärtliche Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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besprechen. Vom Anwalt selbst hörte sie, daß sie nach dem Tode ihrer Mutter zwar nicht gerade reich sein würde, daß aber dank eines Fonds, den ihr Vater für sie eingerichtet hatte, mehr als ausreichend für sie gesorgt war.
    »Aber wenn ihr doch nicht arm wart, warum hat sich dann deine Mutter nicht schon früher eine Pflegerin und eine Putzfrau genommen?« fragte Kay, doch Liz zuckte nur die Achseln.
    »Ich hatte keine Ahnung, daß wir soviel Geld hatten. Mutter redete immer so, als wären wir arm wie die Kirchenmäuse, und da fand ich mich eben damit ab, sie zu pflegen. Der Arzt rechnete natürlich nicht damit, daß es sich so lange hinziehen würde. — Oh, wie herzlos von mir, so zu sprechen.«
    »Unsinn. Deine Mutter war schon seit Wochen praktisch tot. Es wäre nur Heuchelei, jetzt so zu tun, als wäre es ein schwerer Schlag gewesen.«
    Liz heuchelte nicht. Zwei Jahre ihres Lebens hatte sie geopfert. Jetzt, nach dem Tod ihrer Mutter, war sie zwar finanziell gesichert, doch sie hatte keine Freunde, weder solche in ihrem Alter noch ältere. Mrs. Mortimer hatte es jeden Besucher merken lassen, daß er nicht gern gesehen war, und Liz, so dachte Kay zornig, hätte ebensogut in einer Klosterschule aufwachsen können. Und selbst das wäre noch besser gewesen, denn in einer Klosterschule hätte sie wenigstens Güte kennengelernt und andere junge Menschen.
    Nun mußte Liz also lernen, ein normales Leben zu führen. Frauen gegenüber war sie nicht so scheu, doch Kay war bestürzt über ihre stammelnde Unbeholfenheit bei Männern, ja selbst bei Kays derzeitigem Freund, einem harmlosen Jungen namens Giles, der ein phantastisches Auto besaß. Kay hatte eigentlich immer einen Freund, der ein phantastisches Auto fuhr. Liz mußte lernen, diese törichten Hemmungen zu überwinden, sie mußte lernen zu lachen, unverfänglich zu flirten, einfach fröhlich zu sein. Aber würde sie das auf einer Busreise lernen? Kay bezweifelte es; insbesondere, da sie sich im Monat März befanden, wo die Touristensaison praktisch vorüber war. Aber ein Anfang war es, wie das Mädchen selbst gesagt hatte, vielleicht doch. Zunächst aber galt es, da offenbar genügend Geld vorhanden war, passende Kleider zu kaufen und all die tristen Gewänder, die das Mädchen trug, wegzuwerfen.
    »Was, um alles in der Welt, gefällt dir nur an diesen gräßlichen Kitteln? Dieses ewige Mausgrau ist ja tödlich. Wenn man brünett ist wie du und so schöne braune Augen hat, muß man kräftige Farben tragen.«
    Liz war zwar nicht ausgesprochen hübsch, doch sie hatte eine sehr gute Figur und ein ansprechendes Gesicht, das durch die braunen Augen belebt wurde.
    »Ich habe mir die Kleider nicht ausgesucht. Alle meine Sachen hat Mutter gekauft.«
    »Aber wie konntest du das zulassen? Du warst doch immerhin neunzehn Jahre, als du den Kindergarten aufgeben mußtest, um ihre Pflege zu übernehmen. Du warst doch schon erwachsen. Wie kann man sich nur so herumkommandieren lassen!«
    »Du hast Mutter nicht gekannt. Als du sie kennenlerntest, war sie dem Tod schon so nahe, daß sie gar nicht mehr sie selbst war. Vorher war sie eine Tyrannin, und mir blieb gar nichts anderes übrig, als klein beizugeben. Ich — nun ja, ich habe oft innerlich getobt vor Wut. Hast du die Kratzer und Kerben in der alten Seekiste in meinem Zimmer gesehen? Dorthin habe ich mich verkrochen und die Kiste mit Fußtritten bearbeitet, wenn ich in Wut war und meinem Zorn irgendwie Luft machen mußte.«
    Kay war entsetzt. »Du hast keinen Menschen gehabt, dem du einmal dein Herz ausschütten konntest? Und dein Vater?«
    »Mutter hat nie von ihm gesprochen. >Vater< war bei uns ein Schimpfwort. Er zahlte ihr eine Abfindung und richtete den Fonds für mich ein. Dann verschwand er. Ich nehme es ihm nicht übel. Ich hatte mich gerade entschlossen, davonzulaufen und zu ihm zu gehen, als er starb. Damals war ich fünfzehn. Ich mußte bleiben, weil ich kein Geld hatte und nicht wußte, wie ich mich allein durchbringen sollte.«
    »Aber du hättest doch etwas lernen können. Du hättest eine Handelsschule besuchen und dich als Sekretärin ausbilden lassen können. Oder du hättest Krankenschwester werden können wie ich.«
    »Dazu war es schon zu spät. Ich konnte Mutter nicht einfach verlassen. Ich habe ja dann angefangen, in dem Kindergarten zu arbeiten, und es machte mir großen Spaß. Danach wollte ich mit der Ausbildung anfangen, aber da wurde Mutter krank, und ich mußte alles aufgeben. Ich habe zwei

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