Zärtlicher Eroberer
sich einen Prozess erkaufen.“
„Dann gehe ich zu Lucien. Ich habe genug Beweise gegen ihn, um ihn zu Fall zu bringen“, erwiderte Philippa. In groben Zügen berichtete sie ihm, was sie in Luciens Tagebüchern entdeckt hatte.
Valerian sah sie beunruhigt an. „Philippa, du kannst nicht mit Lucien Canton spielen. Wenn du ihm drohst, kommt es zum offenen Krieg. Geh nicht allein zu ihm. Nimm Beldon und ein paar Konstabler mit, wenn es sein muss.“
Der Wachmann hämmerte gegen die Tür, Beldons Charme schien nicht mehr zu wirken. Philippa küsste Valerian stürmisch ein letztes Mal. „Ich liebe dich, Val. Daran wird sich niemals etwas ändern.“
Philippa ballte die Hände krampfhaft zu Fäusten und zwang sich, nicht zu weinen, als der Wachmann ihn abführte. Mit einer bangen Vorahnung sah sie zu, wie Valerian sich ergeben die Handschellen anlegen ließ und dann in einem der vielen Flure von Whitehall verschwand. Wenn er bis zum Abend nicht frei war, würde er Newgate womöglich nie mehr verlassen, wenigstens nicht lebend. Es wurde Zeit, zu handeln. Genauer gesagt, sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren.
20. KAPITEL
Schwere Stiefelschritte hallten durch den steinernen Korridor von Newgate. Valerian vernahm sie und war sofort in Alarmbereitschaft. Seit der Anhörung waren erst vier Stunden vergangen. Man war doch gewiss nicht schon zu einem Entschluss gekommen? Angespannt erhob er sich von seiner Pritsche. Es war zu früh für eine Entscheidung und auch noch etwas zu früh für Beldon, der ihm sein Abendessen bringen wollte. Doch die Schritte kamen eindeutig in seine Richtung und verharrten vor seiner schweren, verriegelten Zellentür. Ein Schlüsselbund klimperte, dann wurde ein Schlüssel ins Schlüsselloch geschoben.
Valerian sprang mit einem Satz hinter die Tür. Falls Lucien einen Mörder mit einer Pistole geschickt hatte, würde er ihn so wenigstens nicht mit dem ersten Schuss erwischen. Es war seine größte Sorge, dass der Täter auftauchen könnte und er selbst keine Chance hätte, sich zu wehren. Dass die Tür aufging und ein Schuss abgegeben wurde, ehe er überhaupt sehen konnte, wer der Schütze war.
Die Zellentür wurde aufgestoßen. Ein Mann in der Uniform der Wärter betrat den Raum, aber Valerian kannte ihn nicht. Das war keiner der Männer, die sonst seine Zelle bewachten. „Was wollen Sie?“, herrschte Valerian ihn an. Der Mann war kräftig und muskulös gebaut, und seine Nase sah als, als hätte man sie schon mehrfach gebrochen. Er wirkte äußerst bedrohlich.
„Sie können gehen. Ihre Entlassungspapiere sind in meiner Tasche, wenn Sie Manns genug sind, sie mir abzunehmen.“ In seiner Hand glitzerte plötzlich eine Messerklinge.
Valerian erfasste die Situation auf der Stelle. Der Ausschuss hatte entschieden, ehe Montfort sich mit allen Mitteln dagegenstellen konnte. Er war frei, aber das konnte Lucien natürlich nicht zulassen, also hatte er diesen Mann geschickt, um ihn ein für alle Mal zum Schweigen zu bringen. Das kleine Messer lag unter seiner Pritsche versteckt, daher hatte Valerian der Waffe des Angreifers nichts entgegenzusetzen als seine Geschicklichkeit. Kräftemäßig war ihm der Mann mit Sicherheit überlegen, daher konnte er nur versuchen, ihm irgendwie die Waffe abzunehmen und sich dann damit zu verteidigen.
Valerian nahm eine Kampfposition ein und bereitete sich auf den Angriff des Mannes vor. Wenn dieser kämpfen wollte, musste er schon den ersten Schritt tun, denn Valerian hatte nicht vor, das Risiko einer ernsthaften Verletzung einzugehen, indem er sich als Erster auf einen Bewaffneten stürzte.
Halb geduckt umkreisten sie einander, und ab und zu stieß der Mann mit seinem Messer ins Leere. „Ich kann den ganzen Tag so herumlaufen“, spottete Valerian. „Warum tun Sie nicht endlich, wofür man Sie bezahlt hat? Was ist denn heutzutage der handelsübliche Preis für die Ermordung eines Viscounts? Ich hoffe nur, es reicht für einen Neuanfang im Exil. Sobald Lord Pendennys hier eintrifft, sind Sie geliefert.“
Der Mann stieß ein bösartiges Knurren aus. „Dann sollte ich wohl lieber kurzen Prozess mit Ihnen machen.“ Er griff unvermittelt an und hob das Messer, um seinen Gegner an der Schulter zu treffen, doch Valerian war vorbereitet. Reflexartig packte er das Handgelenk des anderen und stieß ihn mit aller Kraft gegen die Zellenmauer. Immer wieder schmetterte er die Hand mit dem Messer dagegen, in der Hoffnung, der Mann würde die Waffe fallen lassen.
Der
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