Zärtlicher Hinterhalt
kennen?«
Hannah zuckte die Achseln. »Ich hätte es vermutlich so eingefädelt.«
Er hatte selten etwas so ernst gemeint wie das, was er jetzt sagte. »Hannah, manchmal machst du mir Angst.«
Sie blieb stehen und schaute ihn an. »Genau wie du mir! Aber nach dem, was dort oben geschehen ist, muss ich mich wenigstens nicht mehr fragen, ob du mich umbringen willst.«
»Heute jedenfalls nicht.«
Lächelnd kletterte sie weiter und fuhr fort: »Diese Frau wollte es aussehen lassen, als sei unsere Verbindung eine dieser mit einem Fluch belegten Raeburn-Beziehungen. Alfred sollte zuerst dich erschießen und mich dann aus dem Fenster schubsen.«
»Das hätte er niemals geschafft. Er war kein ganz junger Mann mehr. Für dich sollte er die zweite Pistole verwenden.«
»Nein. Die hatte er in Reserve. Was auch nötig war, wie ich anmerken möchte. Und er war durchaus kräftig genug, es mit mir aufzunehmen und zu gewinnen.«
Alfreds Verwicklung in die Sache erstaunte Dougald. Niemals hätte er geglaubt, dass der verschlagene Dienstbote mit den triefenden Augen und den zittrigen Fingern Teil eines groß angelegten Komplotts sein könnte, dem nach und nach die Lords of Raeburn zum Opfer fielen. Aber die Vorstellung, dass Alfred fast Hand an Hannah gelegt hätte, machte ihn schaudern.
Hannah schien keine Antwort zu erwarten. Sie krallte sich nur noch heftiger an ihn. »Nachdem er dich erschossen und mich hinausgeworfen hätte, hätte er dir die Pistole in die Hand gedrückt. Sobald man herausgefunden hätte, wer ich bin, hätte jeder gesagt, dass du mich hinuntergestürzt und dich anschließend selbst erschossen hast.«
Dougald war entsetzt. »Hannah, du hast eine kriminelle Art zu denken!«
Sie schien zu überlegen. »Ich ziehe es vor, von analytischem Denken zu sprechen.«
»Und was hat es zu bedeuten, dass Seaton mir die Nachricht überbrachte? Das beweist doch, dass es sein Plan war, Raeburn Castle von uns zu befreien.«
Hannah machte sich nicht die Mühe, seiner Skepsis mit Anmut zu begegnen. »Und mir hat
Charles
die Nachricht überbracht«, erklärte sie und streckte ihm die Zunge heraus.
Er wollte es ihr heimzahlen, indem er ihr die seine in den Mund schob, aber diese Kluge bestand darauf, das zu vertagen und vorerst den wirklichen Schuldigen zu finden. Und sie wollte sich an der Suche beteiligen, was Dougald nur zeigte, wie richtig es gewesen war, die Wahrheit so lange wie möglich vor ihr zu verbergen.
Aber verdammt, die Sache zog sich nun schon so lange hin; sie könnte sich ruhig noch ein wenig länger hinziehen, während er sich mit Hannah oben in seinem Schlafgemach all jene Wünsche erfüllte, die er sich die letzten Tage über versagt hatte.
»Charles ist einem Betrüger aufgesessen.« Und falls nicht, dann war er, Dougald, dem größeren Betrüger auf den Leim gegangen. »Wir müssen Charles suchen und ihn fragen, welches der Dienstmädchen ihm das Schreiben übergeben hat.«
»Und wir müssen Seaton suchen und ihn fragen, wer ihm das Schreiben übergeben hat«, erwiderte Hannah.
»Wenn es sein muss.«
»Wie konntest du nur jemals glauben, dass Seaton der Schuldige ist?«
»Er ist mein Erbe.«
»Aber er will den Titel doch gar nicht!« Sie schüttelte den Kopf über so viel Begriffsstutzigkeit. »Er ist ein Spaßvogel. Ihm steht der Sinn nach Klatsch und Tratsch. Die Verantwortung, die mit dem Titel einhergeht, würde er niemals tragen wollen.«
Dougald hatte keine Lust, ihr zu antworten, weil er nicht eingestehen wollte, dass vieles zusammenzupassen schien. Die drei Gentleman-Detektive, die Seaton auf seiner Besuchstour gefolgt waren, hatten nur eine verdächtige Aktivität zu vermelden gehabt. Und zwar, dass Seaton Mrs. Grizzles verlorenes Halsband zwischen den Sofapolstern gefunden hatte und daraufhin als Held gefeiert wurde.
Ohne Zwischenfälle erreichten Dougald und Hannah das Ende der Stufen, und Dougald überprüfte das Areal auf eventuelle Verstecke oder etwas, das sich als Waffe benutzen ließ. Da war nichts. Kein Platz, an dem man sich hätte verstecken können, und auch nichts, das zur Verteidigung getaugt hätte. Er legte den Arm um Hannah und instruierte sie leise. »Bleib, wo du bist«, flüsterte er und ging auf die Tür zu.
Sie murmelte noch etwas, aber er verstand sie nicht.
Lautlos kehrte er zurück und drohte ihr mit dem Finger. »Du wirst nicht versuchen, mir zu helfen! Du wirst dich nicht erschießen lassen, hörst du?«
»Ich
bin nicht angeschossen worden«, zischte
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