Zärtlicher Hinterhalt
wieder hoch, gerade rechtzeitig, um einen Stuhl auf der Bodenklappe zerbersten zu sehen.
Alfred. Der große, kräftige, schmutzige Alfred! Er duckte sich unter der Klappe weg, kam wieder hoch, fuchtelte mit einer Pistole herum.
Im Handumdrehen packte Dougald ihn am Haar und zerrte ihn ins Turmzimmer herauf. Alfred heulte wie ein Troll, der in ein Fangeisen geraten war, ein wahnsinniges Leuchten im blassen Blick. Die Pistole spuckte Feuer, Donner hallte die Steinmauern entlang. Schwarze Stofffetzen und rotes Blut explodierten über Dougalds Schulter. »Verfluchter Hund!«, brüllte der Earl of Raeburn.
Die einschüssige Pistole half ihm nichts mehr, also stürzte Alfred sich auf Dougald und schlug mit dem rauchenden Kolben zu.
Aber Dougald zerrte ihn einfach immer weiter.
Zum offenen Fenster.
Am liebsten hätte Hannah geschrien vor Angst. Blutspritzer sprenkelten den Boden. Dougald war getroffen. Alfred landete einen Hieb an Dougalds Schläfe. Dougald taumelte wie ein Mann in höchster Bedrängnis, und Alfred entglitt seinem Griff.
Mylord brauchte Hilfe.
Hannah schlug Alfred die Rechte in die Seite, worauf er gegen die Wand krachte.
Er griff in die Tasche seiner schmuddeligen Jacke und holte eine andere Pistole heraus.
»Nicht!« Hannah stakste mit ausgestreckten Händen auf ihn zu.
Die Pistole schwankte wild. »Sie bringt mich um«, kreischte Alfred. Der Hahn spannte sich, und die Mündung zeigte auf Hannah.
Als der Mordbube den Finger krumm machte, um zu feuern, stieß Dougald ihn gegen die Fensteröffnung – und Alfred stürzte über den Sims. Der Schuss ging nach oben los und ließ Stroh und Holz auf den Dielenboden regnen.
Entsetzt sahen Hannah und Dougald zu, wie Alfred lautlos fiel.
Hannah wandte sich ab, bevor er aufschlug. »Gott sei seiner armen Seele gnädig!«
»Ich weiß nicht, ob Gott ihn je zu sehen bekommen wird«, meinte Dougald trocken. »Dafür, dass er zwei Lords umgebracht und versucht hat, uns beide zu töten, blüht ihm eher ewige Verdammnis.«
Hannah dachte über die Ereignisse der letzten Minuten nach. »Es war nicht Alfred, der diese Morde begangen hat.«
»Nein. Nicht aus eigenem Antrieb jedenfalls.« Bleich und schwitzend lehnte Dougald an der Wand. »Ich fürchte, uns wird keiner helfen. Niemand hat ihn stürzen sehen.«
»Dougald!« Hannah legte den Arm um ihren Mann. »Setz dich.«
»Ja.« Er schloss die Augen und sank zu Boden. »Ich muss nachdenken.«
Verzweifelt versuchte Hannah, ihn zu halten. Aber sein Gewicht und ihr schmerzender Knöchel führten dazu, dass sie mit ihm niederging. Sie bettete seinen Kopf in ihren Schoß und jammerte: »Bist du tot?« Ihre Hand tastete seinen Hals nach dem Pulsschlag ab.
Der unter ihren Fingerspitzen raste.
»Du bist nicht tot!« Es gab ihr einen bizarren Trost, es laut hinauszuschreien.
Sein Kopf fiel zur Seite.
Verzweifelt bot sie dem Allmächtigen einen Handel an: »Wenn Du Dougald am Leben lässt, dann verspreche ich, dass ich ihm die Frau sein werde, die er immer haben wollte.« Sie strich mit der Hand über seine Schulter, aber fand kein Einschussloch. Doch sie hatte Stofffetzen fliegen und Blut spritzen sehen, also suchte sie weiter. »Ich tue, was immer er sagt, wenn du ihn nur weiteratmen lässt.« Sie fand die Wunde, spähte ihm ins Gesicht.
Er öffnete diese hinreißenden, durchdringenden Augen. »Würdest du das bitte mit der Hand auf der Bibel wiederholen?«
Die Kugel hatte ihn oberhalb des Schlüsselbeins im Muskelbereich der Schulter getroffen und war kurz darüber wieder ausgetreten. Weh tat es, umbringen würde es ihn gewiss nicht. »Du bist ja kaum verletzt!«
Er rutschte herum und machte es sich bequem. »Es brennt aber ziemlich.«
»Wirst du wohl aufhören, mir etwas vorzumachen, Dougald!« Sie versuchte, seinen Kopf von ihrem Schoß zu schieben. Er legte ihr den Arm um die Taille.
Nach kurzem, halbherzigem Kampf gab Hannah auf. Weil er schließlich blutete – wenn der Strom auch schon fast versiegte. Weil der Kampf mit Alfred sie den letzten Nerv gekostet hatte. Weil er nun einmal Dougald war und sie ihn liebte.
Dumme Hannah: liebte seit Jahren einen Mann, der sie haben wollte und es hasste, dass er sie haben wollte, und ihr dann vorwarf, dass sie solch ein Arrangement unfair gefunden hatte und fortgelaufen war. »Du hast es gar nicht verdient, eine brave Gattin zu haben.«
Er drückte den Kopf fester an ihren Busen. »Ich will gar keine artige Ehefrau, ich will dich.«
»Du willst mir wohl
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