Zärtlicher Hinterhalt
Schließlich hatte sie ihn einmal geliebt. Wie jämmerlich, vergangene Zärtlichkeit wiederbeleben zu wollen! Also sagte er nur: »Du bist meine Ehefrau.«
»Ehre und Loyalität«, triumphierte sie.
»Und ein Schwur, den ich respektiere«, konnte er nicht widerstehen anzumerken.
Worauf Hannah sehr still wurde.
Sie konnte ihm nicht verzeihen, dass er ihr immer noch vorwarf, ihn im Stich gelassen zu haben. Genau wie er ihr nicht verzeihen konnte, was er ihr vorwarf.
Dougald schaute sie von der Seite an. Sie sah in der Tat hinreißend aus mit diesen blonden Strähnen, die ihr Gesicht umspielten, und diesen schräg stehenden, ernsten Augen. Er liebte es, wie groß gewachsen sie war. Er liebte es, dass sie ihm auch dann noch in die Augen sah, wenn er tobte. Er liebte ihren Sarkasmus. Er liebte die Freundlichkeit, die sie den Tanten entgegenbrachte. Er liebte ihre Brüste, vor allem wenn sie ihm, wie jetzt, ihr Dekolleté zeigte. Er liebte sie so sehr, dass er sie retten musste, ungeachtet aller früheren Verletzungen, ungeachtet einer düsteren Zukunft.
Er, der er sich Selbstvertrauen und eisernen Willen antrainiert hatte, befürchtete jetzt zu scheitern. Er hatte Fehler gemacht, war unverzeihlichen Irrtümern erlegen, was Menschenkenntnis und die Suche nach Motiven betraf.
Als sie die breite Treppe erreichten, die zum Hauptgeschoss hinabführte, wisperte Hannah: »Da, da ist unser Mann.«
»Seaton«, schnaubte Dougald leise. Er hielt den Anblick dieses Kerls kaum aus. Seaton mit den blau karierten Hosen, der passend karierten Weste und der gestohlenen Diamantnadel.
Auch Seaton hatte sie entdeckt, denn er rief: »Ich sehe, Sie beide haben einander gefunden!« Er begutachtete die Art und Weise, in der Dougald Hannahs Arm hielt, und bedachte die beiden mit einem erfreuten Lächeln.
»Die ganze Grafschaft plappert schon über die beiden Turteltäubchen!«
Langsam und mit bitterem Unterton sagte Dougald: »Und ich kann mir gut vorstellen, woher dieses Geplapper kommt.«
Seaton war noch erschöpft von ihrem nächtlichen Zusammentreffen und stolperte ein Stück zur Seite. »Ich bin nicht das einzige Klatschmaul, das hie und da zu einer Gesellschaft geladen wird!«
Hannah tätschelte Dougald den Arm, als wolle sie einen Hund beruhigen. »Natürlich nicht, Seaton. Aber Sie sind das beste …«
Seaton warf einen Seitenblick auf Dougald und murmelte: »Nun, ja … das bin ich wohl.«
»Lord Raeburn hat sich gefragt, wer Ihnen wohl die Nachricht übergeben hat, die ich ihm zukommen lassen wollte«, fuhr Hannah fort.
»Eines der Dienstmädchen«, antwortete Seaton.
»Und wo hatte dieses Dienstmädchen sie her?«
Seaton riss weit die Augen auf. »Von Ihnen, würde ich meinen.«
jetzt übernahm Dougald das Verhör. »Und warum hat dieses Dienstmädchen mir die Nachricht dann nicht selber gebracht?«
»Sie sagte, Mrs. Trenchard wolle sie im Haus haben, und ,Sie waren draußen im Garten.«
»Und da haben Sie dem Mädchen gerne die Arbeit abgenommen, damit Sie das Schreiben lesen konnten«, stellte Dougald ohne Umschweife fest.
Seaton schien nicht im Geringsten verlegen zu sein. »Ein Mann muss schließlich wissen, was um ihn herum vorgeht.«
Es war ihm verhasst, aber Dougald hatte keine andere Wahl. Seaton hatte ihm das Stichwort geliefert, und er war an der Reihe zu reagieren. Schließlich hatte er einen Mörder zu finden, bevor die Königin eintraf.
In seinem schroffsten, missmutigsten Tonfall sagte er: »Sie wollen wissen, was um Sie herum vorgeht? Ich bin nicht damit zufrieden, wie Mrs. Trenchard die Kapelle hergerichtet hat.«
»Oh, Dougald!« Hannah drückte seinen Arm.
»Die … Kapelle?« Seaton wackelte mit dem Kopf.
»Ja, die Kapelle«, wiederholte Dougald. »Sie muss perfekt sein, wenn morgen die Königin eintrifft.«
»Wie Sie ja wissen, Sir Onslow, kenne ich Ihre Majestät persönlich.« Diesmal prahlte Hannah wirklich, allerdings für einen guten Zweck. »Queen Victoria wird sicherlich ein Gebet sprechen wollen, und wir möchten uns nicht durch ein heruntergekommenes Gotteshaus in Verlegenheit bringen lassen.«
»Oh, du meine Güte«, seufzte Seaton niedergeschlagen. »Ich hatte befürchtet, dass die alte Trenchard versagen könnte. Sie wissen es bestimmt, sie hat diese Schwächeanfälle.«
»Hat sie die schon länger?«, erkundigte Hannah sich.
»Seit Jahren, aber sie werden schlimmer.« Seaton tippte sich an die Brust. »Das Herz, würde ich sagen. Aber sie will nicht langsamer tun. Sieht
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