Zärtlicher Hinterhalt
müssen es versuchen, oder unsere Mühen waren umsonst. Die Vorfreude war alles, was uns am Leben gehalten hat.«
Diese kreidebleiche Gesichtsfarbe und wie die anderen ihr auf den Rücken klopften und Riechsalz unter die Nase hielten! Hannah glaubte ihr. Und wenn der Besuch der Königin nicht recht bald geregelt wurde, dann erlebte Minnie den großen Triumph vielleicht gar nicht mehr. »Die Höflichkeit erfordert es, dass ich mit Lord Raeburn spreche, bevor ich Ihrer Majestät die Einladung schicke.« Und ob sie mit ihm sprechen würde!
»Dann sind wir zufrieden.« Miss Minnie schob die Riechsalze von sich. »Glauben Sie, uns bleibt Zeit, Alberts Gesicht auszubessern? Ich bin ganz geschickt mit dem Zeichenstift, aber mit dem Webstuhl nicht so sehr – und seine unregelmäßigen Gesichtszüge lassen zu wünschen übrig.«
»Da stimme ich Ihnen zu, sie könnten symmetrischer sein«, räumte Hannah ein. »Aber ich versichere Ihnen, es bleibt genug Zeit, ihn neu zu weben.«
»Gut.« Miss Minnie wies auf den Gobelin. »Holt die Lakaien, damit sie ihn von der Wand holen. Wir nehmen das Stück heraus und fangen sofort zu arbeiten an.«
Kapitel 13
Mit der üblichen Sorge um die feinfühligen Sinne seines Herrn machte Charles die Tür hinter sich zu, als er Dougalds spartanisches Büro betrat; aber Dougald sah seinem treu ergebenen Kammerdiener sofort an, dass ihn etwas beunruhigte. Und Dougald wusste auch, was.
Hannah stand draußen.
Seine Lordschaft ließ sich noch etwas Zeit und machte derweil eine Eintragung in eines der Geschäftsbücher. »Ja, Charles?«
»Mylord,
Madame
möchte Sie … wieder einmal sprechen.«
»Möchte sie das?« Dougald verspürte einen ganz ungewohnten Drang. Den Drang zu lächeln. Er hatte Hannahs Wunsch nach einer privaten Unterredung jetzt fast zwei Wochen lang hintertrieben. Es machte ihm Spaß, viel zu viel Spaß, doch er verzieh sich die ungenierte Freude. Hannah zwei Wochen lang zu ignorieren war – verglichen mit all den Jahren voller Sorge und Zweifel – eine winzige Vergeltung.
»Sie bittet darum, Sie sprechen zu dürfen, Mylord!« Charles legtej ede Menge französischer Theatralik in seine Worte.
Was nicht unbedingt klug war. »Sie ›bittet‹?« Dougald schnaubte. »Das kann ich mir kaum vorstellen.«
»Sie hat es vielleicht nicht ganz so formuliert, aber sie bittet dringlich um einen Augenblick Ihrer Zeit, um Sie etwas zu fragen.«
Dougald brauchte nicht erst mit Hannah zu sprechen, um zu wissen, was sie wollte. Sie wollte entweder über ihre Großeltern sprechen oder darüber, was er hinsichtlich ihrer Ehe vorhatte. Keines von beiden wünschte er derzeit zu diskutieren. Sie würde ihre Antworten bekommen, wenn ihm danach war – nicht früher und nicht später. »Sagen Sie ihr, Sie soll gehen. Ich habe keine Zeit, mich mit einer Gesellschafterin meiner Tante auseinander zu setzen.« Er beugte sich wieder über die langen Zahlenreihen. Sich einen Überblick über Ausgaben und Einnahmen Raeburn Castles zu verschaffen hatte sich als Herausforderung erwiesen – insbesondere, weil in den letzten paar Jahren so viele verschiedene Lords die Bücher geführt hatten.
Charles seufzte. Auch wenn Dougald nicht verstand, warum, hieß sein Getreuer es nicht gut, wie sein Herr seine entflohene Gattin malträtierte. Allerdings hatte Charles Hannah seinerzeit als unerträgliche Plage und unpassende Ehefrau empfunden und war stolz darauf gewesen, seinen Teil dazu beigetragen zu haben, dass Hannah sich aus Dougalds Leben gestohlen hatte. Er hatte sich in diese fragwürdige Ehe eingemischt. Und sich dann gebrüstet, Dougald aus einer unglücklichen Verbindung errettet zu haben. Und das, wo doch nichts unglücklicher war als die Einsamkeit und Angst, die Hannahs Verschwinden folgen sollte.
Dougald schämte sich immer noch ein wenig, dass er sich so in die Irre hatte führen lassen. Sein eigener Stolz und seine eigene Ignoranz hatten zusammen mit dem, was Charles noch dazu tat, seine Ehe zerstört.
Und diese Scham, hatte Dougald feststellen müssen, ließ ihn immer erbarmungsloser mit Hannah umgehen. »Charles!«
Sein Diener fing an zu strahlen, wenn man einen leicht aufgehellten melancholischen Gesichtsausdruck so bezeichnen konnte. »Mylord?«
»Haben Sie irgendetwas über den Tod der beiden letzten Lords herausgefunden?«
Charles' Miene kehrte in ihre gewohnten zusammengesackten Bahnen zurück. »Oui, Mylord! Aber das würde ich Ihnen lieber darlegen, wenn mir Ihre Aufmerksamkeit
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