Zärtlicher Hinterhalt
Hannah gute Gründe, Charles zu verabscheuen. »Aber sie
hatte
sich den Kopf angestoßen?«
»Ich habe in der Nähe ein schweres Stück Schnitzwerk gefunden, das irgendwo abgebrochen sein musste. Wir waren der Ansicht, dass es wohl von den Deckenbalken stammte, aber auch wenn dem so war, musste es schon vor langer Zeit abgebrochen sein, denn die Bruchstelle war nicht mehr frisch, sondern dunkel von Staub und Ruß.«
Dougald marschierte auf Charles zu und starrte auf ihn hinab. »Was hat Hannah dazu gesagt?«
»Madame
war benommen vom Schlag und hat es gar nicht mitbekommen. Ich habe einen der Arbeiter gefragt, wo das Teil herstammen könnte. Er sagte, es passe zu den Deckenbalken.« Charles deutete mit dem Zeigefinger hinauf. »Zu den Deckenbalken hier.«
»Dann hat es jemand geworfen?«
Charles zog eine Schulter hoch. »Oui, das könnte man annehmen.«
Eisiger Zorn erfasste Dougald. »Warum haben Sie mir das nicht schon früher mitgeteilt?«
»Sie haben gesagt, Sie wollten nichts mehr von
Madame
hören. Kein einziges Wort.«
Charles antwortete mit kaum spürbar triumphierendem Unterton, was Dougald ihm hoch anrechnete – zumal er sich gut an jenen Tag im Arbeitszimmer erinnern konnte und daran, welche Order er Charles gegeben hatte. »Recht so, Charles. Ich habe es nicht besser verdient.«
»Ja, Mylord.« Charles holte schnell Luft. »Genau aus diesem Grund habe ich darauf gedrängt, die Arbeiten mit großer Sorgfalt anzugehen. Ich fürchtete einen weiteren Unfall.«
»Danke.« Aber welche Rolle Charles dabei gespielt hatte, Hannah aus dem Hause zu jagen, würde Dougald nie vergessen. »lch frage mich immer noch, warum Sie das tun.«
»Das fragen Sie sich noch? Begreifen Sie es denn nicht?« Charles Akzent wurde stärker, je mehr er sich aufregte. »Mein größter Wunsch ist, dass
Madame
und Sie wieder zusammenkommen. Alles, was in meiner Macht steht, würde ich dafür tun.«
»Warum?«
»Sie muss zurückkehren und Ihnen eine richtige Gemahlin sein. Solange sie am Leben ist, aber nicht an Ihrer Seite, sind Sie unglücklich, Mylord. Und eine Scheidung wollen Sie nicht.« Charles machte ein verdrießliches Gesicht. »Falls sie nicht zu Ihnen zurückkehrt, müsste sie schon sterben, damit Sie wieder frei sind.«
Ah! Jetzt kamen sie der Sache langsam näher. »Eine Mordanklage käme mir aber ungelegen.«
»Nein! Mylord, ich wollte doch nicht sagen, dass
Sie
sie umbringen sollen. Diese Anschuldigungen haben Sie ohnehin schon Ihren Platz in der Gesellschaft gekostet. Und Sie können auch niemals eine andere, bessere junge Dame ehelichen, solange deren Vater befürchtet, Sie könnten seine Tochter niedermetzeln.« Charles lächelte mit offensichtlich geheuchelter Freude. »Also bleibt nur eine Versöhnung.«
»Lebe mit mir als meine Ehefrau, oder ich bringe dich um? Wollen Frauen nicht etwas anderes hören?«
»Nun, Sie brauchen sie gar nicht umzubringen – weil jemand anders das für Sie erledigen will.«
Charles' schonungsloser Hinweis ließ Dougald auf den Stuhl sinken. Einmal mehr versuchte er, die Abgründe des Desasters auszuloten. »Hannah ist also meinetwegen in Gefahr?«
»Würde Ihnen und
Madame
ein Sohn geboren werden, wären Sir Onslows Chancen, den Titel zu erben, zunichte gemacht. Irgendwie kann es nur Onslow sein.«
Dougald scheute sich nicht, einer Gefahr ins Auge zu sehen. Für den Feigling, der einen Anschlag auf ihn hatte verüben lassen, empfand er nur Verachtung. Aber Hannah nach dem Leben zu trachten … Nein, nein! »Ist Seaton derzeit im Hause?«
»Nein, Mylord. Er ist den Tag über auf Conniff Manor.«
»Wenn er zurückkehrt, richten Sie ihm aus, ich möchte ihn sprechen.«
»Dürfte ich dabei sein, Mylord?«
Dougald und sein Kammerdiener lächelten einander grimmig zu. »Ich bedarf in der Tat Ihrer Anwesenheit. Mich fürchtet Seaton nämlich nicht.«
»Das könnte sich ändern.«
»Ja, unbedingt. Aber bis ich mit ihm gesprochen und ihm ein Geständnis abgenötigt habe, müssen wir Hannah im Auge behalten.«
»Mylord, ich habe es, so gut es ging, versucht. Aber es ist unmöglich. Sie saust mal dahin und mal dort, die Treppen hinauf und hinunter. Sie spricht mit jedem und ist mit allen gut Freund.« Charles' höhnisches Grinsen zeigte, was er davon hielt. »Es sind Handwerker hier, Fremde. Ein jeder von ihnen könnte dazu angestiftet worden sein, ihr etwas anzutun. Vielleicht ist es aber auch jemand, den wir kennen – einer der Bediensteten, Mrs. Trenchard, Alfred
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