Zärtlicher Hinterhalt
sich die Seite hielt. »Stimmt etwas nicht?«
Mrs. Trenchard lehnte mit kreidebleichem Gesicht an der Wand. »Eine Magenverstimmung, Mylord. Manchmal glaub ich, der Teufel krallt sich mir in die Eingeweide.« Sie durchwühlte ihre Schürzentasche, förderte ein Glasfläschchen zu Tage und zog den Korken heraus. Als sie den Inhalt geschluckt hatte, blieb sie mit geschlossenen Augen stehen, bis die Farbe in ihr Gesicht zurückkehrte. Dann richtete sie sich wieder auf, knickste und sagte: »Bitte um Verzeihung, Mylord. Das passiert, wenn ich allzu lang arbeite.«
»Das muss auf der Stelle anders werden.« Dougald wusste genau, in welche Schwierigkeiten ihn das brachte, aber er konnte diese Frau nicht vor Erschöpfung zusammenbrechen lassen.
Mrs. Trenchard seufzte. »Mylord, darf ich offen sprechen?«
Dougald fasste seine Haushälterin genauer ins Auge. Sie war groß gewachsen, mit schweren Knochen, und verständig – so wie er es an Dienstboten schätzte. Sie ging ihm aus dem Weg, erledigte ihre Arbeit und äußerte keine eigene Meinung. Was sie jetzt aber doch im Sinn zu haben schien. Er fragte sich, welcher der ungewöhnlichen Vorfälle der letzten Tage sie wohl zu diesem Schritt veranlasste. »Worum geht es?«
»Ich habe bis jetzt nichts zu den Veränderungen hier im Schloss gesagt, obwohl unter den Dienstboten schon Bedenken laut werden. Aber Sie sind der Herr im Haus, und Sie können nach Belieben vorgehen.«
»Genau!«
Mrs. Trenchard erlahmte ein wenig. »Doch wenn Menschen in Gefahr sind, muss ich sprechen. Die ganze Zeit über wird Altes herausgerissen und Neues dafür eingebaut – ohne jeglichen Respekt vor der Vergangenheit. Auch wenn die Königin kommt, scheint es mir besser, weniger zu tun und vorher genau zu überlegen, was.«
»Was meinen Sie damit?«
»Die große Eingangshalle zum Beispiel. Erst gestern habe ich einen der Zimmerleute entdeckt, wie er an dem Deckenbalken baumelte, während die anderen mit der Leiter unten standen und ihren Spaß mit ihm trieben.«
Dougald hatte das Geschrei gehört und nachgesehen, was der Aufruhr zu bedeuten hatte. Der Vorfall war nichts anderes als Unfug gewesen, der den langen Arbeitstag ein wenig auflockern sollte. Aber Mrs. Trenchard nahm die Sache offensichtlich ernster. »Ich hoffe doch, Sie haben ihnen die Leviten gelesen«, bemerkte er und verbarg seine Belustigung. »Das hätte gerade noch gefehlt, dass einer der Männer stürzt und sich das Bein bricht.«
»Und was viel schlimmer gewesen wäre: Eine der Holzvertäfelungen hätte zu Bruch gehen können.« Sie schüttelte trübselig den Kopf. »Stammen aus dem vierzehnten Jahrhundert, die meisten jedenfalls, und sind wohl die schönsten Schnitzarbeiten in der Grafschaft.«
»Ich werde selbst mit den Handwerkern sprechen.«
»Zumindest legen diese Grobiane nicht auch noch Hand an die Kapelle.«
Jeden Morgen nach der Andacht hatte Dougald Mrs. Trenchard allein in der Kapelle erspäht, wo sie Staub wischte und Kirchenbänke und den Altar polierte. Ihre Feinfühligkeit in religiösen Dingen schien sehr ausgeprägt, also versicherte Dougald ihr: »Sobald in der Kapelle die Arbeiten beginnen, werde ich die Männer höchstpersönlich beaufsichtigen.«
Entgeistert starrte ihn Mrs. Trenchard an. »Aber Mylord, ich dachte, die Kapelle würde nicht verändert.«
»Verändern? Nein. Der altehrwürdige Geist, der dort weht, wird erhalten bleiben. Repariert und restauriert muss sie allerdings werden, wenn auch nicht sofort.«
»Natürlich.« Sie wippte auf den Absätzen. »Sie wollen die Kapelle also instand setzen.«
»Ihre Pietät gereicht Ihnen zur Ehre, Mrs. Trenchard.« Ungelenk tätschelte er ihren Arm. »Was schon so lange das Herz des Schlosses bildet, wird nicht missachtet werden.«
»Und wann?«
Er rief sich den Zeitplan ins Gedächtnis. »Vorm Besuch Ihrer Majestät habe ich keine Zeit, die Arbeiten zu beaufsichtigen. Doch ich verspreche Ihnen, dass es sobald als möglich geschieht. Und die Renovierung ist auch nicht überstürzt geplant worden. Ich weiß schon sehr lange, was auf Raeburn Castle der Erneuerung bedarf. Aber ich hatte mich auf andere Dinge konzentriert.« Darauf, Hannah einzufangen und zu unterjochen. »Jetzt muss alles auf einmal geschehen, und zwar schnell. Ganz bestimmt wird es keine Zwischenfälle mit den Handwerkern mehr geben und auch keine Unfälle, wie den von Miss Setterington.«
Mrs. Trenchard rang die Hände. »Ich will nicht, dass irgendwer zu Schaden
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