Zärtlicher Hinterhalt
…«
»Sie!«
»Ich?« Charles blähte die beeindruckenden Nasenflügel und sagte mit jenem Sarkasmus, den nur Franzosen so hinbekamen: »Natürlich könnte auch ich es sein. Aber wenn ich vorhätte,
Madame zu
töten, dann hätte ich schon bessere Gelegenheiten verstreichen lassen.«
Und wenn Charles sie gar nicht töten wollte, sondern nur verjagen – wieder verjagen? Er betrachtete seinen Kammerdiener, das hängende Gesicht, die riesige Nase, das schüttere Haar. Charles hatte damals so hart daran gearbeitet, Hannah loszuwerden – war es möglich, dass Dougald ihm je wieder völlig vertraute?
Als könne er Gedanken lesen, sagte Charles: »Sie müssen sie fortschicken, Mylord.«
»Sie würde nicht gehen.« Denn Dougald konnte ihr nicht anvertrauen, weshalb sie gehen
musste.
Sie würde schon allein der Tanten wegen nicht gehen, aus Pflicht und Ehrerbietung der Königin gegenüber und vielleicht auch wegen ihrer Leidenschaft für ihn. Außerdem war die Hannah, die nach Raeburn Castle gekommen war, eine andere Frau als die jugendliche Hannah damals. Sie hatte sich für einen Weg entschieden, und sie verfolgte ihn mit Entschlossenheit und Verstand. Falls sie Dougald auf der Suche nach dem Schuldigen behilflich sein wollte, dann würde sie auch darauf bestehen. Dougald malte sich aus, wie Hannah diesen jämmerlichen, degenerierten Lump Seaton mit den entsprechenden Vorwürfen konfrontierte … nun, aber das würde sie nicht, weil Dougald sie nicht einweihen würde.
»Ich kann keinesfalls auf Sie beide aufpassen«, äußerte Charles entrüstet. »Und außerdem wissen Sie, wem meine Loyalität gilt – falls ich vor eine Wahl gestellt würde.«
Ja, Dougald wusste es, und was immer er ihm auch befahl, würde daran nichts ändern.
»Mylord, Sie können sie dazu bringen, zu gehen.« Charles stützte sich mit den Handflächen auf den Schreibtisch, lehnte sich vor und sah Dougald bitterernst an. »Sie wissen genau, wie.«
»Ja.« Und bevor Dougald den Schuldigen nicht identifiziert und gestellt hatte, musste er Hannah In Sicherheit bringen. Wild entschlossen sperrte er eine der Schreibtischschubladen auf und holte ein Bündel Briefe heraus, das mit einem ausgeblichenen, rosaroten Seidenband verschnürt war. »Eine Versöhnung ist damit wohl beim Teufel!«
Kapitel 21
Die Tanten standen ums Bett herum und betrachteten Hannah mit einer Neugier, die an Argwohn grenzte.
»Erzählen Sie doch, wie es kommen konnte, dass Sie auf der Treppe zum Handarbeitszimmer gestolpert sind, Liebe«, sagte Tante Isabel. »Ich hab es beim ersten Mal nicht verstanden. Sie nuscheln so schrecklich.«
Hannah hatte nicht genuschelt. Tatsächlich hatte sie laut und auch sehr langsam gesprochen, damit Tante Isabel sie verstand. Aber sie konnte die alte Dame kaum des Fabulierens bezichtigen, also sagte sie: »Ich habe eine neue Schachtel Webgarn die Treppe hinaufgetragen und bin über meinen Rock gestolpert.«
»Aha!« Tante Ethel nickte.
»Muss eine sehr große Schachtel gewesen sein«, meinte Tante Spring.
»Warum haben Sie nicht einen der Lakaien gebeten, die Schachtel hinaufzubringen?«, fragte Tante Isabel.
»Die Dienerschaft ist so mit den Bau- und Aufräumarbeiten beschäftigt, ich wollte niemanden von seinen Pflichten fortholen. jetzt weiß ich es besser.« Hannah zog den abgetragenen, gestreiften Flanellmorgenmantel fester um sich und wies auf den Stuhl. »Ich hatte keinen Besuch erwartet, aber vielleicht möchte sich wenigstens eine der Damen setzen.«
»Nein, Liebe, wir stehen hier recht gut«, beruhigte Miss Minnie sie.
Was nichts anderes hieß, als dass die Damen im Stehen besser auf Hannah hinunterschauen konnten. Die Schwellung an Hannahs Knöchel war jedenfalls weniger schmerzhaft als diese Befragung.
Sie setzte sich gerade auf und versuchte, die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken. »Vielen Dank für die Blumen, Tante Ethel.« Die geschliffene Vase stand auf dem Tischlein neben dem Bett. Hannah berührte eines der zarten Rosenblätter. »Sie sind wunderschön!«
Tante Ethel strahlte wie immer, wenn man ihre Blumen lobte. »Ich bringe morgen noch welche.« Tante Spring knuffte sie in die Seite und erinnerte sie an ihre Übereinkunft. »Oh! Ja.« Tante Ethel bedachte Hannah mit einem Stirnrunzeln. »Sie wollten uns über den Sturz berichten.«
»Da gibt es nichts weiter zu berichten.« Hannah probierte es mit lockerem, gleichgültigem Achselzucken. »Wie gehen die Vorbereitungen für den Empfang
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