Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight
es nicht sogar ihre Pflicht als Harrys Ehefrau, ihm zu helfen, wann immer sie konnte?
Ja, er könnte ihren Rat gut gebrauchen. Und um ihm bestmöglich zur Seite zu stehen, war es schlichtweg erforderlich, dass sie herausfand, worüber er mit seinen Gästen sprach.
Poppy schlich auf Zehenspitzen zur Bibliothekstür, die einen Spalt offen stand. In dem man sie nicht sehen konnte, lauschte sie der Unterhaltung.
»… Sie können den Rückstoß der Waffe an der Schulter spüren«, erklärte Harry in sachlichem Ton. »Es wäre durchaus möglich, sich diesen Effekt zunutze zu machen, indem man ihn zum Beispiel zur Einziehung der nächsten Kugel benutzt. Oder noch besser, ich könnte ein Metallgehäuse entwickeln, das Pulver, Kugel und Zündbolzen in einem enthält. Die Rückstoßkraft würde das Gehäuse automatisch auswerfen und ein anderes einziehen, so dass die Waffe wiederholt abfeuern kann. Damit hätte sie eine weit größere Wucht und Präzision als jede andere Feuerwaffe, die bislang entwickelt wurde.«
Seine Ausführungen wurden mit Schweigen quittiert. Poppy vermutete, dass Kinloch und Sir Gerald ebenso wie sie damit kämpften, zu erfassen, was Harry gerade beschrieben hatte.
»Mein Gott«, sagte Kinloch schließlich, und seine Stimme klang atemlos. »Das ist so viel weiter als alles, was wir … das ist allem, was ich gerade herstelle, um Längen voraus …«
»Lässt es sich denn verwirklichen?«, fragte Sir Gerald knapp. »Es würde einen enormen Vorteil gegenüber jeder anderen Armee der Welt bedeuten.«
»Bis man die Waffe nachgebaut hat«, erwiderte Harry trocken.
»Nichtsdestoweniger«, fuhr Sir Gerald fort, »in der Zeit, die es sie kostet, die Technik nachzubilden, werden wir unser Imperium so vergrößert … und unsere Herrschaft so gefestigt haben …, dass unsere Vormachtstellung unangefochten sein wird.«
»Sie wird nicht lange unangefochten bleiben. Wie Benjamin Franklin einst gesagt hat, verhält es sich mit einem großen Staat wie mit einem großen Kuchen – an den Rändern wird er schnell kleiner.«
»Was wissen die Amerikaner schon über die Bildung großer Staaten?«, bemerkte Sir Gerald mit einem verächtlichen Schnauben.
»Ich sollte Sie vielleicht daran erinnern«, murmelte Harry, »dass ich gebürtiger Amerikaner bin.«
Wieder herrschte Schweigen.
»Bei wem liegen Ihre Loyalitäten«, wollte Sir Gerald wissen.
»Bei keinem Land im Besonderen«, antwortete Harry. »Stellt das ein Problem dar?«
»Nicht, wenn Sie uns die Rechte für den Entwurf geben. Und ausschließlich Kinloch ermächtigen, die Waffe zu bauen.«
»Rutledge«, ertönte Kinlochs harte, begierige Stimme, »wie lange werden Sie brauchen, um diese Ideen zu entwickeln und einen Prototyp zu schaffen?«
»Ich habe keine Ahnung.« Harry war sichtlich amüsiert über den Feuereifer der beiden Männer. »In meiner Freizeit werde ich daran arbeiten. Aber ich kann Ihnen nichts versprechen …«
»Freizeit?« Kinloch war entrüstet. »Ein Vermögen hängt von dieser Erfindung ab, ganz zu schweigen von der Zukunft des Imperiums. Bei Gott, wenn ich Ihre Talente hätte, würde ich kein Auge zutun, ehe ich diese Idee nicht verwirklicht hätte!«
Poppy wurde unwohl zumute, als sie die nackte Gier in seiner Stimme vernahm. Kinloch wollte Profit. Und Sir Gerald Macht.
Und wenn Harry Ihnen den Gefallen erwies …
Sie ertrug es nicht, noch länger zuzuhören. Als die Männer ihre Unterhaltung weiterführten, schlich sie sich leise davon.
Achtzehntes Kapitel
Nachdem er Sir Gerald und Edward Kinloch verabschiedet hatte, lehnte er sich von innen gegen die Tür seines Apartments. Normalerweise wäre die Aussicht, eine neue Waffe und integrierte Patronenhülsen zu entwickeln, eine interessante Herausforderung für ihn gewesen.
Im Augenblick aber war es nichts als eine lästige Ablenkung. Für ihn gab es derzeit nur ein Problem, das er unbedingt lösen wollte, und was er dazu brauchte, waren nicht die Wunder der Technik …
Harry kratzte sich am Rücken, während er in sein Schlafzimmer hinüberging, um sich ein Nachthemd zu suchen. Normalerweise schlief er nackt, aber auf dem Sofa war ihm das nicht so angenehm. Die Aussicht auf eine weitere Nacht auf dem Sofa veranlasste ihn dazu, seine geistige Gesundheit infrage zu stellen. Er stand vor der Wahl, mit seiner verlockenden Frau in einem bequemen Bett oder allein auf einem schmalen Möbelstück zu schlafen … und er entschied sich für Letzteres.
Seine Frau betrachtete ihn
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