Zärtlicher Sturm
was ich brauche, Mr. Holt, ist ein ausgiebiges heißes Bad. Seit ich New York verlassen habe, habe ich kein anständiges Bad mehr genommen. Aber das wird wohl warten müssen, bis wir Ihre Ranch erreicht haben.«
»Sie haben sich auf dem Weg keine Unterkunft gesucht?«
Sie errötete, aber vielleicht war es gar nicht schlecht, wenn er gleich die Wahrheit erfuhr. »Ich hatte nicht genug Geld. Ich habe alles für die Mahlzeiten ausgegeben.«
Er sah sie prüfend an. »Sie haben also überhaupt kein Geld?«
Sharisse war wütend auf sich selbst. Ihr Zorn ließ sie schnippisch werden. »Ist das etwa ein Problem? Sie haben doch nicht etwa eine Aussteuer erwartet, oder?«
»Nein, Ma'am.« Er grinste. Sehr gut, sie war ihm also völlig ausgeliefert und konnte nicht einfach abreisen, wann es ihr paßte. »Aber genaugenommen habe ich auch Sie gar nicht erwartet.«
»Das verstehe ich nicht.« Sharisse legte die Stirn in Falten.
Lucas zog das Bild aus der Tasche und drückte es ihr in die Hand. »In Ihrem Brief stand, Sie seien das Mädchen auf der linken Seite.«
Sie riß die Augen auf. Stephanie hatte sie also belogen, um ihre Bedenken zu zerstreuen. Sie erstarrte. Hier stand er jetzt, erwartete Stephanie und bekam statt dessen sie.
»Ich … ich bringe rechts und links manchmal durcheinander. Es tut mir furchtbar leid, Mr. Holt. Sie müssen schrecklich enttäuscht sein.«
»Ma'am, wenn ich, wie Sie es nennen, schrecklich enttäuscht wäre, würde ich Sie wieder in die Kutsche setzen. Wie heißen Sie überhaupt mit Vornamen? Ich kann Sie nicht ewig Ma'am nennen.«
Sein Lächeln war ermutigend, und seine Stimme war tief und voll. Sie hatte damit gerechnet, aber sie war noch nervöser, als sie es erwartet hatte.
»Sharisse«, sagte sie.
»Das klingt französisch.«
»Meine Mutter war Französin.«
»Es wäre unangebracht, zu förmlich zu sein. Ich werde Luke genannt.«
In genau dem Moment nannte ihn jemand so. »Wen hast du denn da, Luke?«
Er war ein gedrungener, kleiner Mann, der in der Tür des Krämerladens von Newcomb stand. Ihre Aufmerksamkeit wandte sich dem Mann zu, als Lucas sie einander vorstellte. Sie war überrascht, als er hinzufügte: »Ich kenne Miß Hammond schon von früher, ehe ich hierhergekommen bin. Sie hat endlich eingewilligt, meine Frau zu werden.«
»Ist das wahr?« Thomas Bilford strahlte vor Begeisterung. »Dann muß man wohl gratulieren. Kommt Ihr Bruder auch zur Hochzeit?«
»Ich habe keine große Sache vor. Ich schnappe mir den Geistlichen, wenn er wieder in der Stadt ist. Das ist alles.«
Als sie das letzte Haus der Ortschaft hinter sich gelassen hatten, frage Sharisse nachdenklich: »Warum haben Sie Mr. Bilford gesagt, daß wir uns aus dem Osten kennen?«
Lucas zuckte die Achseln. »Niemand würde mir glauben, daß du auf eine Annonce hin gekommen bist. Aber wenn es dir lieber ist …«
»Nein, es ist schon in Ordnung«, versicherte sie ihm.
Sharisse verstummte wieder und wandte ihre Augen ab. In dem Mann, der neben ihr saß, hatte sich ein Wandel vollzogen. Ohne das knabenhafte Grinsen konnte er kalt und unnahbar wirken. Er schien zu grübeln. Hatte sie etwas Falsches gesagt?
»Warum bist du hier, Sharisse Hammond?«
»Ich bin kürzlich verwitwet.«
Das erregte seine Aufmerksamkeit, doch sie wurde bleich, als seine Augen sie durchbohrten. Tagelang hatte sie Zeit gehabt, sich die Antwort auf diese Frage zu überlegen, aber eins hatte sie nicht bedacht! Machte er zur Voraussetzung, daß sie Jungfrau sein mußte? Die Geschichte von der verarmten Witwe war ihr als eine geniale Ausflucht erschienen, um damit ihre Reaktion auf seine Annonce zu erklären.
»Es tut mir leid, wenn Sie ein junges, unschuldiges Mädchen erwartet haben«, sagte Sharisse leise. »Selbstverständlich verstehe ich, wenn Sie …«
»Das spielt keine Rolle«, schnitt ihr Lucas das Wort ab.
Er richtete seinen Blick wieder auf die Straße und war wütend auf sich selbst, weil er so reagiert hatte. Es spielte wahrhaft keine Rolle. Hatte er nicht ohnehin die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß sie keine Jungfrau war? Warum also stieß er sich jetzt daran?
»War es der Mann auf dem Foto?« fragte Lucas nach einer Weile.
»War er was …? Gütiger Himmel, nein. Das ist mein Vater.«
»Lebt dein Vater noch?«
»Ja, aber wir sind uns … fremd geworden. Mein Vater hat nichts von meinem Mann gehalten, verstehen Sie. Und er ist nicht der Typ Mann, der schnell verzeiht.«
»Du konntest also nach dem Tode
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