Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zärtlicher Sturm

Zärtlicher Sturm

Titel: Zärtlicher Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
Vom Netzwerk:
abzureisen. Nein, einem reichen Mädchen aus guter Familie, das aus New York kam, konnte es hier nicht gefallen.

5

    Sharisse wischte sich mit einem klatschnassen Taschentuch das Gesicht ab. Ihre Unterwäsche und ihre langärmelige Bluse klebten an ihrem Körper, und das Haar auf ihrer Stirn und ihren Schläfen, das sich nicht zu einem Knoten aufstecken ließ, klebte in ihrem Gesicht.
    Sie wollte gar nicht gut aussehen, um im Zug nicht belästigt zu werden, aber sie sah noch schlimmer aus, als es ihr recht gewesen wäre. Wie hatte nur alles so schiefgehen können? Sie hatte immer noch keine Erklärung dafür, daß sie nur noch zwei Dollar in der Tasche hatte. Davon konnte sie sich noch eine Mahlzeit kaufen, wenn die Kutsche vor Newcomb noch einmal anhielt. Sie hatte gräßliche Mahlzeiten zu sich genommen und mehr Gewicht verloren, als sie es sich hätte leisten können. Lucas Holt würde sie nur einmal ansehen und sie sofort wieder nach Hause schicken.
    Sie hatte an diesem abscheulichen heißen Ort nichts zu suchen. Sie hätte mit Charley in der Abgeschiedenheit einer Kleinstadt im mittleren Westen sein sollen. Der arme Charley. Mit seinem langen, dichten Haar litt er noch mehr unter der Hitze als sie. Das Fell ging ihm aus, und er japste nach Luft. Woher hätte sie auch wissen sollen, daß es hier so unerträglich heiß war? Sie befand sich in einer Gegend, über die sie nichts wußte. Aber selbst wenn sie es gewußt hätte, hätte sie Charley nicht einfach zurücklassen können.
    Sie konnte immer noch nicht glauben, daß Stephanie ihr all das wirklich angetan hatte. Sharisse war diejenige, die alle Gefahren auf sich nahm und sogar den Zorn ihres Vaters herausforderte, und all das für Stephanie. Warum hätte ihre Schwester ihr dieses ganze Unternehmen noch zusätzlich erschweren sollen? Und doch hatte sie Sharisse überredet, nach Arizona zu reisen. Noch Schlimmeres offenbarte sich, als Sharisse feststellte, daß sie ihren Schmuck nicht mehr hatte. Sie erinnerte sich ganz genau, daß sie Stephanie ihre Handtasche mit dem Schmuck hatte halten lassen, während sie Charley in sein Reisekörbchen gesteckt hatte. Nachdem sie das Haus verlassen hatte, hatte sie die Tasche nicht einen Augenblick lang aus den Augen gelassen und sie sogar unter ihren Rock gesteckt, als sie am ersten Tag in der Bahn geschlafen hatte. Sie hatte das Fehlen ihres Schmucks bemerkt, als sie in ihrer Handtasche nach Mr. Holts Brief gesucht hatte. Warum hatte Stephanie den Schmuck aus ihrer Tasche genommen? Der Gedanke, so weit von zu Hause ohne Geld festzusitzen, erschreckte sie, und sie hatte auch kein Geld für die Heimreise. Sie konnte nur noch abwarten und sich anschauen, was für ein Mann dieser Lucas Holt war.
    Sein Brief gab ihr keinen Aufschluß darüber, obwohl sein Hinweis, er brauche eine Weile Zeit, um zu sehen, was er sich eingehandelt hatte, ehe er sie heiratete, nahezu arrogant klang. Aber das konnte sich nur zu ihrem Vorteil auswirken, wenn sie jetzt eine Zeitlang von ihm abhängig war. Sie konnte diesen Vorwand dazu nutzen, die Eheschließung so lange wie nötig hinauszuzögern. Sie mußte ihm und seinem Leben von Anfang an mit absoluter Geringschätzung begegnen, damit er nicht allzu überrascht war, wenn sie darauf bestand, daß nichts aus ihnen werden konnte. Und wenn sie sich überlegte, was sie bisher von Arizona und den abgehärteten Männern dieser Gegend gesehen hatte, dann glaubte sie nicht, daß sie viel Heuchelei brauchen würde.
    Die Kutsche wankte, als sie ein fast ausgetrocknetes Flußbett überquerte. Von dem Fluß waren nur vereinzelte schlammige Pfützen zu erkennen. In der leuchtend bunten Kutsche war Platz für neun Mitreisende, doch sie waren nur zu viert. Sharisse war die einzige, die in Newcomb aussteigen würde. Da reichlich Platz vorhanden war, hatte niemand etwas dagegen einzuwenden gehabt, daß sie Charley aus seinem Körbchen befreite. Doch alle Mitreisenden hatten ihn angestarrt, als hätten sie noch nie ein Haustier gesehen. Das konnte durchaus sein. Sie hatte jedenfalls keine andere Katze mehr gesehen, seit sie in Kansas umgestiegen war.
    Vor ihnen lagen Berge, auf denen wirklich Bäume wuchsen. Nach der Wüste und den Steppen und den Bergen, die nichts als Felsen mit Kakteen waren, überraschte dieser Anblick sie so sehr, daß Sharisse die Stadt gar nicht wahrnahm, bis der Fahrer rief: »Newcomb. Eine Stunde Aufenthalt, Leute.«
    Sharisse merkte, daß ihre Eitelkeit die Oberhand gewann. Plötzlich

Weitere Kostenlose Bücher