Zärtlicher Sturm
deines Mannes nicht zu ihm zurückkehren?«
»Nein. Das wäre kein Problem gewesen, wenn mein Mann mich nicht völlig mittellos zurückgelassen hätte. Natürlich hätte ich ihn gar nicht erst geheiratet, wenn ich gewußt hätte, wie hoch er verschuldet war. Aber …« Sie seufzte. »Ich stamme aus einer reichen Familie, verstehen Sie. Daher konnte ich nicht arbeiten gehen, um mich selbst zu ernähren, als ich festgestellt habe, wie schlimm die Dinge wirklich lagen. Als ich dann Ihre Annonce gesehen habe, schien mir das genau die richtige Lösung zu sein.«
»Du läßt etwas außer acht.«
»Nein, das glaube ich nicht.« Sie geriet allmählich in Panik.
»Du bist nicht gerade das, was man als unattraktives Mädchen bezeichnen würde«, sagte er betont. »Wenn du das Gefühl hattest, wieder heiraten zu müssen, warum bist du dann so weit gereist? Du mußt Angebote in deiner näheren Umgebung gehabt haben.«
Sharisse lächelte über diese Vermutung. Natürlich hatte sie Heiratsanträge bekommen, jede Menge, und das schon seit ihrem fünfzehnten Geburtstag. Aber diese Anträge waren von Männern gekommen, die sich von ihrem Reichtum angelockt fühlten oder die in anderer Hinsicht indiskutabel waren.
»Ja, es sind etliche Männer an mich herangetreten.«
»Und?«
»Sie waren nicht nach meinem Geschmack.«
»Was wäre denn nach deinem Geschmack?«
Sharisse wand sich.
»Ich kann arrogante Männer nicht leiden, und auch männliche Strenge und Härte stören mich. Ich mag empfindsame, zarte Naturen, die gutmütig und …«
»Bist du sicher, daß du einen Mann beschreibst?« fragte Lucas, der den Mund nicht halten konnte.
»Ich kann Ihnen versichern, daß ich solche Männer gekannt habe«, sagte sie empört.
»Dein Mann?«
»Ja.«
Lucas brummte vor sich hin. »Du bist mit mir ein ganz schönes Risiko eingegangen. Was ist, wenn ich keine dieser Eigenschaften besitze?«
Innerlich stöhnte sie. »Nicht einmal eine einzige?«
»Das habe ich nicht gesagt. Aber woher wolltest du das vorher wissen?«
»Ich … ich fürchte, ich habe mir darüber gar keine Gedanken gemacht. Ich hatte nur das Gefühl, daß alles andere besser ist als die Möglichkeiten, die ich zu Hause zur Wahl hatte. Natürlich habe ich das Beste gehofft.«
»Bist du enttäuscht?«
»Sie können doch nicht im Ernst erwarten, daß ich das jetzt schon beantworte.« Sie verlor zusehends die Fassung.
In seiner Stimme schwang Belustigung mit. »Schätzchen, dein erster Blick hat mir gesagt, ob du enttäuscht bist oder nicht.«
»Das Aussehen ist bei einem Mann nicht alles«, hörte Sharisse sich mit spröder Stimme sagen.
Sie stellte entgeistert fest, daß sie ihm unabsichtlich ein Kompliment gemacht hatte. Sie hatte ihn ihre Geringschätzung spüren lassen wollen.
Wieder grinste er. Und ihr wurde klar, daß sie, obwohl sie schon eine Weile miteinander redeten, überhaupt nichts über ihn wußte. Sie wagte es, selbst eine direkte Frage zu stellen. »Sie sind doch hoffentlich nicht arrogant?«
»Ich hoffe, nein.«
Sie ging noch weiter. »Herrschsüchtig?«
Er kicherte in sich hinein. »Ich? Ein hübsches Ding wie dich rücksichtslos überrennen? Ich käme im Traum nicht darauf.«
Warum hatte sie bloß das ganz ausgeprägte Gefühl, daß er sich über sie lustig machte? Sie verstummte und gab es für den Moment auf, das zu ergründen.
6
Willow lehnte in der offenen Tür und sah der Staubwolke, die aus der Ferne näherkam, entgegen. Ihr Haus, das nur einen Innenraum hatte, war, an den Maßstäben der Weißen gemessen, klein. Aber sie war eine Reisighütte mit niedrigem Dach gewohnt, und daher war das Haus für ihre Verhältnisse groß. Seit ihr Mann sie vor zwei Jahren von ihrem Stamm und ihrer Familie fortgeholt und sie hierhergebracht hatte, hatte sie sich daran gewöhnt.
Willow hatte nur zu einem Viertel Apachenblut. Ein anderes Viertel war mexikanisch. Die übrige Hälfte war, dank eines üblen Schurken, der ihre Mutter vergewaltigt hatte, eine nicht näher bekannte weiße Mischung. Und doch wirkte sie wie eine Vollblutindianerin, und daraus schöpfte sie großen Stolz.
»Da kommt er, Billy«, sagte Willow mit ihrer leisen, melodischen Stimme.
Billy Wolf trat zu seiner Frau, um ebenfalls der Staubwolke entgegenzusehen. Er schlang von hinten seine Arme um ihren schwangeren Bauch.
»Glaubst du, daß er sie mitbringt?«
Willow spürte, daß Billy hinter ihrem Rücken breit grinste. Sie hatte dieses Grinsen in letzter Zeit nur allzu
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