Zärtliches Spiel mit dem Feuer
ich das Buch für Sie holen, Mylady?"
„Nein, danke, das tue ich selbst", lehnte Charlie freundlich ab. „Dann kann ich auch gleich nachsehen, ob es noch weitere Bücher gibt, die für Bessie ebenfalls von Nutzen sind. Setzen Sie sich doch, Stokes. Vielleicht fallen Ihnen ja selbst noch einige Weisheiten ein, die ihr helfen könnten."
Der Butler nickte, setzte sich mit würdevoller Miene der jungen Dame gegenüber, griff ganz in Gedanken nach der noch unberührten Teetasse seiner Herrin und begann mit seinem Vortrag darüber, wie sich ein ordentliches Dienstpersonal ihr gegenüber zu verhalten habe.
Charlie schaffte es, ihr Kichern zurückzuhalten, bis sie den Salon verlassen hatte. Es fiel ihr nicht leicht, sich an den reichlich steifen Stokes zu erinnern, an den Butler, der ihr bei ihrem und Beth' Eintreffen hier begegnet war. Die Veränderungen des Mannes waren ihr im Laufe der Zeit gar nicht so sehr aufgefallen, zumindest nicht vor ihrer Heimreise von Gretna Green. Anscheinend hatte sich Stokes aus der Hülle der Schicklichkeit befreit, die ihn zuvor so fest umgeben hatte.
Dafür hielt Charlie Mrs. Hartshair verantwortlich. Ganz offensichtlich hatte sich Stokes in die Frau verliebt, und in ihre Kinder war er geradezu vernarrt. Mrs. Hartshair schien ebenfalls immer mehr Zuneigung für den Diener zu hegen, was Charlie einfach wunderbar fand. Die Hartshairs verdienten einen guten Mann in ihrem Leben nach allem, was ihnen der verblichene Mr. Hartshair zugemutet hatte, und Charlie konnte sich keinen netteren und aufrechteren als Stokes denken.
Sie begab sich also in die Bibliothek, wo sie auch das in Rede stehende Buch fand. Das holte sie aus dem Regal, legte den schweren Band auf den Schreibtisch und durchsuchte dann die Regale nach weiteren Büchern, die in diesem Fall dienlich sein mochten.
Nachdem sie noch drei weitere Bände ausgesucht hatte, kehrte sie zum Schreibtisch zurück, um das erste Buch aufzunehmen. Dabei fiel ihr Blick auf das Papier, welches Stokes auf die Tischplatte gelegt hatte, wo sein Herr es bei seiner Rückkehr finden würde. Der Brief war aufgerollt und mit einem blutroten Band zusammengebunden - genau wie die Botschaften des Erpressers!
Charlie legte die Bücher vorsichtig daneben ab, nahm die Schriftrolle auf und entfernte rasch das rote Band. Dann ließ sie sich auf den Sessel hinter dem Pult sinken und begann zu lesen.
We nn Sie die Identität der Person erfahren wollen, welche Ihre Braut erpresst hat, dann kommen Sie um elf Uhr zu Aggies Etablissement.
Charlie ließ die Note sinken und schaute auf die Sanduhr neben der Tür. Es fehlten ja nur noch zehn Minuten bis elf Uhr, und Radcliffe war noch nicht einmal daheim! Er würde die Mitteilung niemals so rechtzeitig sehen, um noch ...
Sie schüttelte den Kopf. Weshalb sollte er auch? Schließlich hatte sie inzwischen geheiratet. Im Übrigen waren ihre und Elizabeths Eskapaden der Gesellschaft wohl bekannt und verziehen. Nun ja, jedenfalls die meisten dieser Eskapaden, dachte Charlie, verzog das Gesicht und nahm den Brief wieder zur Hand.
Falls Sie nicht erscheinen, gehe ich davon aus, dass es Ihnen nichts ausmacht, wenn ganz London erfährt, dass Sie und Ihre Gemahlin vor Ihrer Trauung ein Bordell aufsuchten.
Als Charlie das las, stöhnte sie auf. Dieses kleine Abenteuer war das Einzige, von dem die Gesellschaft nichts ahnte. Sie vermochte sich gut vorzustellen, welchen Wirbel es auslösen würde, falls herauskäme, dass Lady Radcliffe Gast in einem öffentlichen Freudenhaus gewesen war!
Sie zerknüllte das Papier, warf es wütend quer durch den Raum, stand auf, umrundete den Schreibtisch und eilte aus der Bibliothek. Ein kurzer Blick in den Salon sagte ihr, dass Mrs. Hartshair sich zu der kleinen Runde gesellt hatte, sodass ihre, Charlies, Abwesenheit vermutlich gar nicht so sehr bemerkt wurde. Eilig lief sie die Treppe hinauf.
Im Gegensatz zu. dem, was sie Radcliffe versichert hatte, besaß sie noch einiges von der Garderobe, die sie während ihrer Auftritte als „Charles" getragen hatte. Bei ihrer und Radcliffes Heimkehr hatte sie nämlich nicht eingesehen, weshalb sie alles wegwerfen sollte, und deshalb übergab sie Stokes die Sachen, auf dass er sie so entsorgte, wie er es für richtig hielt ... mit Ausnahme dessen, was sie jetzt aus der Truhe am Fußende ihres Bettes zog.
Sie vermutete, dass ihr Gemahl gehofft hatte, so etwas verhindern zu können. Radcliffe war äußerst umsichtig, was Details betraf,
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