Zärtlichkeit des Lebens
Sarah. Sie warf ihre Aktenmappe beiseite und rannte im Zimmer auf und ab. Wie hatte ich mir auch nur einbilden können, ihn zu mögen? Mit verschränkten Armen starrte sie wütend ihre Pflanzen an, schloß dann die Augen, weil sie ihre Gefühle wieder abkühlen wollte, und stand ganz still da.
Allmählich schwand ihr Zorn. Mach dich an die Arbeit und vergiß es, befahl sie sich, drehte sich um, hob den Hörer und drückte auf Mugs Summer.
»Ja, Miß Lancaster.«
»Mugs, bringen Sie mir ein Sortiment Bleistifte und schauen Sie nach, ob Cassidy Zeit hat, meine letzten Entwürfe für das Reed-Projekt anzuschauen.« Sarah ließ sich beim Sprechen auf ihren Stuhl fallen, nahm einen Stift und kritzelte drauflos. »Und finden Sie heraus, ob Dutch Kelly einen Termin frei hat, damit wir die Detailpläne für das W-W-Projekt besprechen können…
vielleicht irgendwann heute nachmittag. Um wieviel Uhr ist eigentlich die Sitzung mit Mr. Haladay?«
»Zwölf Uhr dreißig. Zum Mittagessen in seinem Büro. Es gibt wahrscheinlich ein kaltes Büfett.«
Sarah runzelte die Stirn, dann notierte sie ihre heutigen Termine auf ihren Block. »Nimmt Mr. Lloyd auch daran teil?«
»Für gewöhnlich schon.«
»Mist«, flüsterte sie kaum vernehmbar, aber Mugs hatte ein feines Gehör. »Na schön, kümmern Sie sich um die Bleistifte und um Kelly. Cassidy rufe ich selber an. Und, Mugs…«
»Ja, Miß Lancaster?«
»Ich könnte den Kaffee jetzt gebrauchen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Aber klar doch.«
»Danke.« Sarah legte den Hörer auf und atmete tief durch.
Dann stand sie auf und hob ihre Aktenmappe vom Boden auf.
Als Sarah das Büro Haladays betrat, befanden sich beide Männer hinter dem wuchtigen Schreibtisch. Haladay saß, während Byron hinter ihm stand. Kam es nun durch diese Stellung oder den Lichteinfall, Sarah bemerkte jedenfalls, daß Haladays Alter mit Byron an seiner Seite deutlicher zutage trat.
Einen Augenblick empfand sie Bedauern für den alten Mann und den unausweichlichen Wandel.
»Hallo, Max.« Sie lächelte ihm rasch zu, als sie das Zimmer durchquerte. »Hatten sie ein schönes Wochenende?«
»Das Wochenende bedeutet in meinem Alter etwas völlig anderes als in Ihrem«, bemerkte er trocken. »Schauen wir uns doch die Pläne an.«
Nachdem sie die Aktenmappe auf seinem Schreibtisch abgestellt hatte, machte sie sie auf und reichte ihm die Pläne.
»Schenken Sie uns etwas zu trinken ein, Byron«, meinte Haladay, während er die Entwürfe aus der Rolle zog. »Ich schaue mir schon mal Ihr Werk an.« Er stand auf und breitete die Entwürfe auf seinem Schreibtisch aus.
»Einen Martini?« fragte Byron.
»Ja, bitte.«
Er drehte sich um und verblüffte Sarah mit einem Lächeln.
»Trocken?«
»Knochentrocken, daß es staubt.«
Er goß zwei Martinis ein, dann suchte er eine Sherryflasche aus und schenkte ein drittes Glas halbvoll. Als er ihr den Drink reichte, langte Sarah danach, und für einen Moment hielten sie beide den Stiel fest. Sie hob die Augen. Plötzlich erinnerte sie sich an ihre erste Begegnung in seinem Büro, als seine Hand die ihre auf der Türklinke umschlossen hatte. Sie hatte damals gespürt, wie eine Botschaft dabei übermittelt wurde, und jetzt spürte sie sie wieder, konnte sie aber nicht entschlüsseln. Dann hielt nur noch sie das Glas, weil er seine Hand wieder zurückgezogen hatte.
»Sie haben anscheinend gute Arbeit geleistet«, bemerkte Haladay.
Zerstreut wandte sich Sarah von Byron ab und ordnete ihre Gedanken. »Ich habe
tatsächlich
gute Arbeit geleistet«, verbesserte sie ihn und ging zu ihm. Sie nippte an ihrem Martini, als Byron sich ihnen anschloß und Haladay das halbvolle Glas Sherry reichte. Haladay schaute es finster an, trank es auf einen Zug aus und stellte das leere Glas auf seinen Schreibtisch.
»Was meinen Sie?« wollte er von Byron wissen, wobei er eine ausladende Armbewegung über die Pläne machte.
Byron beuge sich über den Schreibtisch und ging systematisch die Entwürfe und statischen Berechnungen durch.
»Sehr gut«, sagte er schließlich und richtete sich auf. »Ich sehe keine Schwierigkeiten.«
»Es freut mich, das zu hören.« Sarahs Stimme war so trocken wie ihr Martini. »Es paßt perfekt zu dem Grundstück, Max«, sagte sie.
»Was halten Sie von Reed?« erkundigte sich Max.
»Ich finde, er ist ein sehr netter Mensch. Und ein überaus begabter noch dazu.«
»Er säuft«, bemerkte Haladay. »Aber mir gefällt dieser Bursche.«
»Auch er
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