Zärtlichkeit des Lebens
ins Gesicht. Es war kein abschätzender Blick, sondern der eines Kenners. Januel war mit ihrem Körper bestens vertraut.
In den vergangenen Wochen hatten sie oft miteinander geschlafen, und Sarah hatte ihn als sanften, aufmerksamen Liebhaber erlebt. Ihre einzige Enttäuschung bestand darin, daß er nie die Nacht mit ihr verbringen wollte. Sie liebten einander immer in ihrer Hotelsuite, und danach verließ er sie jedesmal, um allein zu schlafen. Sie vermißte seine Gesellschaft, wollte viel länger mit ihm Zusammensein.
»
Cheri
, alle sind von dir beeindruckt«, fuhr Januel fort. »Du hast heute nachmittag die Presse bezaubert, und heute abend faszinierst du die feine Gesellschaft.« Er beugte sich näher zu ihr, so daß nur sie seine Worte verstehen konnte. »Weißt du eigentlich wie schwierig es war, dich ein paar Minuten für mich zu bekommen?«
Sarah wandte ihm wieder lächelnd den Kopf zu. »Nein, aber wir könnten ja gehen, dann hättest du mich länger als ein paar Minuten.«
»Andre macht mich fertig, wenn ich ihm sein Prunkstück stehle.« Januel stieß mit ihr an. »Jetzt mußt du einem gesellschaftlichen Plan folgen, wie die Arbeiter den deinen für das Kulturzentrum einhalten. Du wirst von jetzt an mit Einladungen zu Partys und mit Anfragen für Interviews überschwemmt werden.«
Sarah zuckte mit den Schultern, während sie sich am Wein nippend umschaute. »Es wird mir vermutlich Spaß machen, solange es nicht mit meiner Arbeit kollidiert. Ich werde eine Weile ziemlich viel auf der Baustelle zu tun haben.« Sie ging gerne aus, aber nicht, wenn sie an einem Bauvorhaben arbeitete.
»Das gehört auch zu deiner Arbeit«, erinnerte sie Januel.
Geistesabwesend nickte Sarah. Sie dachte an Byrons Worte.
Eine junge, schöne Frau würde Haladays Image nicht schaden.
Sie hatte eingewilligt, das Spiel mitzuspielen, und wollte am Schluß gewinnen. Erfolg, Macht, Ruhm – war das alles das gleiche? fragte sie sich. Ich weiß es nicht, aber ich werde es verdammt noch mal herausfinden.
»Sarah.« Januel tippte sie auf den Arm, um ihre Aufmerksamkeit wiederzugewinnen. Er wartete ihr Lächeln ab, mit dem sie auf ihn reagierte. »Du mußte dich erst mit mir absprechen, ehe du eine Einladung annimmst oder ablehnst, und auch ehe du Interviews gibst. Wir werden dann die möglichen Fragen sowie die passenden Antworten kurz durchsprechen.«
»Muß ich das?« murmelte Sarah. »Warum?« Sie unternahm keinerlei Anstrengung, ihren Unmut zu verbergen.
Januel legte sanft die Hand über die ihre. »Sarah, du bist noch relativ fremd hier in Paris. Mit manchen Leuten hier solltest du Umgang pflegen, mit anderen nicht.« Er merkte, wie sie das Gesicht noch mehr verzog. »Möglicherweise könnte dir ohne die richtige Führung eine Gelegenheit entgehen, oder du würdest die falsche Person kränken. Oder«, fuhr er gelassen fort, »ein gerissener Reporter könnte dich zu… Indiskretionen verleiten.«
»Niemand verleitet mich zu Indiskretionen«, erwiderte Sarah.
»Und ich pflege Gärten, nicht den Umgang mit Menschen.«
Januel nahm geduldig ihre Hand. »Sarah, so läuft es nun mal im Geschäftsleben. Die Dinge können nicht immer so einfach sein, wie du es gern hättest.« In einer öffentlichen Zurschaustellung von Zuneigung beugte er sich zu ihr hinunter und küßte sie leicht auf den Mund. »Denk mal darüber nach,
cheri.«
Sarah seufzte. »Na schön, ich lasse es mir durch den Kopf gehen.«
»Lieber Januel, wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen!«
»Madeleine, schön wie eh und je.« Januel küßte ihr die Hand.
»Comtesse Madeleine de la Salle, darf ich Ihnen Mademoiselle Sarah Lancaster vorstellen?«
»Ah.« Das klang wissend. »Die Architektin, und in Wirklichkeit viel reizender als auf dem Foto.« Sie musterte Sarah von Kopf bis Fuß und wieder zurück. »Sie haben ein feines Gespür für Stil, Mademoiselle.«
»Danke, Madame.«
»Alle Welt redet über das Theater und wie großartig es wird.
Man kann Ihnen gratulieren.«
»Ich bekäme die Gratulationen lieber nach der Fertigstellung.« Sarah lächelte. »Wir haben noch eine weite Wegstrecke vor uns.«
Bei Sarahs Lächeln stutzte Madeleine einen Augenblick; es kam ihr überraschend selbstsicher vor. »Ich gebe nächste Woche eine kleine Abendeinladung und möchte Sie gerne dazu bitten.«
Ihr Blick schweifte zu Januel. »Sie beide.«
»Selbstverständlich, Madeleine«, Januel antwortete, ehe Sarah den Mund aufmachen konnte. »Wir kommen sehr
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