Zärtlichkeit, die du mir Schenkst
reparierte im Schein einer Kerosinlater-ne eines der Wagenräder, und er blickte kaum bei der Arbeit auf.
»Wo, zum Teufel, bist du gewesen?«, fragte er.
»Wo ist sie?«, wollte Rafe wissen.
Jeb arbeitete weiter. »Ich nehme an, du meinst Emmeline«, sagte er. »Deine Frau.«
Emmeline. So hieß sie also. Der Name hatte einen schönen, fraulichen Klang, und er gefiel Rafe. »Gut, dass du das kapiert hast«, brummte er. »Dass sie mir gehört, meine ich.«
»Sie ist eine Frau, Rafe, keine Pferdedecke oder ein Paar Stiefel«, bemerkte Jeb.
»Ich wusste gar nicht, dass du so modern denkst«, erwiderte Rafe. Er holte Heu und trat dann vor seinen Bruder, die Arme verschränkt. »Als Nächstes wirst du noch für die Suffragetten demonstrieren.«
»Könnte sein«, gab Jeb zurück. Er lächelte nicht.
Rafe sagte nichts mehr. Er kehrte einfach zu seinem Pferd in die Box zurück, kratzte Chief die Hufe aus und ging dann mit einem Päckchen aus der Stadt zum Haus. Sein Vater wartete im hinteren Hof, als er dort eintraf.
»Ich sollte dich auspeitschen«, grollte Angus, böse wie ein arthritischer Bär, der in einer Höhle voller Schneematsch aufwacht. »Lässt deine eigene Braut allein in der Stadt! Wenn dein Bruder nicht dort gewesen wäre ...«
Alle Kampflust war von Rafe gewichen, was zum großen Teil an Jake Fink lag, der für einen Schollenbrecher höllisch gut zuschlagen konnte. Rafe seufzte und ging um seinen Vater herum, stieg die Treppe zur hinteren Veranda hoch und betrat die Küche.
Sie war da, beim Herd, bekleidet mit einem sittsamen Morgenrock aus Flanell, das Haar zu einem langen, dicken Zopf geflochten, und Rafe verharrte jäh, als er sie sah, und starrte sie benommen an. Er hielt ihr das Päckchen hin.
»Ich habe Ihnen ... äh dir ein Nachthemd mitgebracht«, erklärte er und spürte, wie er errötete. Er glaubte, Angus hinter sich aufstöhnen zu hören.
Emmeline zögerte, hob dann das Kinn und ignorierte das Päckchen. Wenn sie ihn gehört hatte, gab sie vor, ihn nicht verstanden zu haben.
»Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. McKettrick«, erwiderte sie nach einer Weile. »Schließlich doch noch.«
Rafe hätte sechzehn sein können, anstatt fast dreißig, so verlegen fühlte er sich in ihrer Gegenwart.
Seine Frau ...
»Gleichfalls«, meinte er schließlich, zog das Päckchen langsam zurück und legte es beiseite. Wenn ein Baby gezeugt werden würde, dann offenbar nicht heute Nacht.
Kapitel 3
E in spätes Abendessen wurde am langen Tisch in der Küche serviert. Kerosinlampen an beiden Enden des Raumes warfen weiches Licht durch die Schatten, und das Essen - geröstetes Wild, Karotten, Kartoffeln und weiße Rüben - war einfach und wirkte appetitlich. Auf Angus' Drängen hin nahm Emmeline als Erste Platz, auf der Bank, die dem Herd am nächsten stand, wo es behaglich warm war. Concepcion setzte sich neben sie ans Ende der Bank. Rafe, dessen Gesicht seit ihrer früheren Begegnung, als er ihr das Nachthemd präsentiert hatte, immer noch gerötet war, setzte sich Emmeline gegenüber.
Jeb betrat die Küche ohne Hast und verharrte, um Emmeline ein aufmunterndes Lächeln zu schenken und ihr zuzunicken. Hinter ihm sah Emmeline einen anderen Mann eintreten. Er war vielleicht ein, zwei Jahre älter und hatte kastanienbraunes Haar und grüne Augen. »Ma'am«, grüßte dieser zweite Mann und nickte ihr ebenfalls zu.
Sie erwidere nichts, faltete nur die Hände auf dem Schoß, richtete sich ein wenig auf und bemühte sich, ein plötzliches Heimweh nach Becky und der Pension und all den »Mädchen« in ihren skandalösen Kleidern zu unterdrücken. Morgen würde sie einen Brief beginnen, über die lange und anstrengende Reise berichten und Rafe und Indian Rock und das Haus auf der Triple M beschreiben. Becky, mit ihrem gewaltigen Stolz, würde vielleicht darauf antworten oder auch nicht.
»Ich nehme an, Miss Emmeline kennt Jeb bereits«, bemerkte Angus, während Jeb und sein Gefährte Wasser in die Spüle pumpten und sich die Hände mit gelber Seife schrubbten, »da er sie von Indian Rock nach Hause gebracht hat.« Der alte Mann warf einen finsteren Blick in Rafes Richtung. »Aber ich glaube, Kades Bekanntschaft hat sie noch nicht gemacht.«
»Kade McKettrick, Ma'am«, stellte er sich ziemlich ernst vor, als wäre die Gelegenheit, sie kennen zu lernen, von bleibender persönlicher Bedeutung für ihn. Er ließ Jeb an der Spüle stehen und kam zur Bank, um sich zu Emmeline zu setzen.
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