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Zahltag

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Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Schauer
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nur am Fenster stehen sehen. Sie hatte die weiße Mütze auf. Als Anna plötzlich weg war hatte er sie zuerst bei Mila vermutet, doch auch die war wie vom Erdboden verschluckt. Er sah sie nie wieder, genau wie seine Tochter. Die Polizeibehörden hatte damals Mila in Verdacht, doch für Thomas war es eindeutig: Entweder waren beide Mädchen entführt worden oder Mila war einfach so abgehauen. Sie war ein Straßenmädchen. Niemand wusste, was in ihrem Kopf vorging. Es wurde auch nach Mila Popescu eine Fahndung eingeleitet. Ihre Großmutter wurde gefunden, Thomas hatte die Frau besucht. Sie war erst fünfzig Jahre alt. Das Haus, das sie bewohnte, war heruntergekommen. Es gab kein fließendes Wasser. Sie war krank und weinte. Sie weinte um ihre Tochter und ihre Enkeltochter. Sie erzählte ihm viel von Mila, doch nichts, was ihm weiterhalf. Er wandte sich an die Medien, doch es gab keine Spur. Thomas war immer der Meinung gewesen, dass die Polizei in Moldawien nicht die nötigen Mittel und kein Interesse an seiner Tochter hatte. Im Laufe der Zeit verlief alles im Sande. Doch heute war er in Chisinau. Er fuhr durch die Stadt, die sich kaum verändert hatte. Alles war trostlos, alt und heruntergekommen. Doch es gab auch das wunderschöne Moldawien. Die unglaubliche Natur, die Wälder und Flüsse. Thomas kannte dieses Moldawien auch, doch es war weit im Schatten seiner Erinnerungen. Zu präsent war die Traurigkeit dieses Landes. Er wanderte in Richtung des Gemeindezentrums. Hier tummelten sich früher viele Straßenkinder und er wusste, dass die Hilfsorganisationen immer noch hier vor Ort waren. Er würde herumfragen. Vielleicht kannte jemand Mila.

Heute — Moldawien, ein Jahr nach der Entführung
     
    Wolfgang sagte dem Fahrer, dass er ins City Clinical Hospital No 4 wollte. Die Fahrt dauerte nicht lange und er sah aus dem Fenster. Es hatte sich fast nichts geändert in den letzten zehn Jahren. Doch eins war anders: er war alleine unterwegs, das war er damals nicht. Angst hatte er allerdings heute und damals verspürt. Ungewiss war es auch dieses Mal. Vielleicht würde der Arzt nicht mehr hier arbeiten, was auch sehr wahrscheinlich war. Er war schon vor zehn Jahren alt gewesen. Aber er musste es versuchen. Als er in der Strada Columna 150 A ausstieg, fühlte er sich wie in der Zeit zurückversetzt. Er hatte nicht gedacht, dass er noch mal wiederkommen müsse. Vor zehn Jahren war er für fast drei Monate hier. Es gab Komplikationen, doch am Ende war es ein Erfolg. Konnte man es wirklich als Erfolg verbuchen? War jetzt die Abrechnung gekommen? Musste Alexander jetzt seine Taten ausbaden? Er stand vor dem Gebäude und traute sich nicht über die Schwelle zu treten, doch es blieb ihm nichts anderes übrig.
    Er trat in die Halle, die nach Krankheit roch. Eine junge Frau saß hinter einer Glasscheibe, sie beachtete ihn nicht. Er musste sie ansprechen , erst dann hob sie den Kopf. Er sagte ihr, dass er nur Englisch oder Deutsch sprach und sie lächelte.
    „Ja, ich spreche bisschen Deutsch.“
    Er war erleichtert. „Ich suche Dr. Nikiforow.“
    Sie nickte. „Dr. Nikiforow nichts arbeiten hier. Er zu alt.“
    „Oh, er ist in Rente. Können Sie mir seine Adresse geben?“
    „Ich nichts wissen. Glaube nicht.“
    Er sah ihr an, dass sie diese Information nicht einfach herausgeben durfte , doch sie war nett und er musste es versuchen.
    „Ich bin ein alter Freund von Dr. Nikiforow. Können Sie eine Ausnahme machen ?“
    Sie sah sich um, dann nickte sie. Es dauerte ein paar Minuten , bis sie mit einem Zettel zurückkam. „Ich nichts gegeben.“ Ihr Lächeln war sehr süß und er bedankte sich bei ihr. Er überlegte, ob er ihr Geld geben sollte, verwarf aber den Gedanken und verabschiedete sich.
    Auf dem Zettel stand eine Adresse, die er dem nächsten Taxifahrer überreichte. Er sah Wolfgang an und nickte. Die Fahrt führte raus aus der Stadt, weit weg von den Plattenbauten und der Armut. Es ging einen Hügel hinauf und dann sah Wolfgang die Villa. Es war ein riesiges Anwesen mit einer eigenen Auffahrt. Der Taxifahrer ließ ihn raus und Wolfgang zahlte. Nun stand er vor einem großen Eisentor und musste sich überwinden auf den Knopf zu drücken, doch das blieb ihm erspart. Ein Mann kam auf Wolfgang zu. Er sagte etwas, doch er verstand ihn nicht.
    „Ich suche Dr. Nikiforow.“
    Der Mann verstand ihn anscheinend auch nicht. Er ging zurück zu dem Anwesen. Wenige Augenblicke später kam eine junge Frau.
    „Ich spreche Deutsch“,

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