Zahltag
gesehen hatte. Er würde seine Anna finden. Wenn Mila noch lebte, dann konnte doch Anna auch noch am Leben sein.
Heute — Moldawien, ein Jahr nach der Entführung
Dr. Nikiforow schenkte sich ein Glas Whiskey ein. Seine Gedanken waren nicht zu lesen. Wolfgang kannte solche Menschen nicht. Er hatte schon damals gewusst, dass Dr. Nikiforow skrupellos war.
„Was suchen Sie für Antworten?“
Wolfgang wurde aus seinen Gedanken gerissen. Ja, was suchte er für Antworten? Er wusste es doch selber nicht, oder doch nur zu genau? „Was ist damals passiert? Im Krankenhaus?“
„Sie wissen genau, was passiert ist.“
„Nein, sagen Sie es mir.“
„Sie sind zu mir gekommen. Sie hatten ein krankes Kind dabei und ich habe es gerettet.“
„Wo hatten sie das Organ her?“
„Was denken Sie denn, Herr Moser?“ Dr. Nikiforow saß nun nicht mehr an seinem Schreibtisch, sondern sah hinaus in den Garten. Er drehte Wolfgang den Rücken zu.
Ja, was dachte Wolfgang? Wusste er nicht genau , was geschehen war? „Von wem war das Organ?“ Wolfgang wurde lauter, aggressiver.
„Wieso wollen Sie das wissen , nach so langer Zeit? Stimmt etwas nicht mit ihrem Sohn?“
„Nein, darum geht es nicht. Ich werde erpresst, bedroht.“ Ruckartig drehte sich Dr. Nikiforow zu Wolfgang um.
„Was meinen Sie mit ‚bedroht’?“
„Jemand hat mich zu ihnen geschickt. Jemand wollte, dass ich Fragen stelle.“
„Wer?“
„Ich weiß es nicht. Es ist der, der meinen Sohn vor einem Jahr entführt hat.“
Dr. Nikiforow starrte Wolfgang an. „Verlassen Sie sofort mein Haus und kommen Sie nie wieder.“
„Was? Das geht nicht. Sie müssen mir helfen.“ Wolfgang bekam Panik. Er konnte nicht gehen. Er hatte noch keine Antworten. „Sagen Sie mir, woher das Organ stammt!“ Er war wütend und wusste selber nicht woher er das Selbstbewusstsein nahm, diesem Kerl entgegenzutreten.
Dr. Nikiforow schaute in sein Glas und setzte sich wieder. Er wirkte gefasst und ruhig. „Wissen Sie, Herr Moser, Sie sind noch schlimmer als ich. Sie kommen daher und stellen sonderbare Fragen, zweifeln an mir, doch damals haben sie keinen Moment gezögert. Keinen Moment hinterfragt. Sie wussten, dass es kriminell und unmoralisch war, doch es war ihnen egal. Es ging ja um das Leben ihres Sohnes, nicht wahr?“ Dr. Nikiforow durchbohrte ihn mit seinem Blick.
Wolfgang schlug auf den Tisch. „Ich habe Ihnen Geld bezahlt. Ich habe Ihnen vertraut. Was haben Sie getan?“
„Ich habe ihnen das gegeben , was sie wollten. Fragen sie doch nicht weiter nach. Das Organ stammt von einem Mädchen, das sowieso nicht lange überlebt hätte. Sie wäre irgendwann in einem Bordell gelandet. Das Herz hat es in ihrem Sohn besser.“
Wolfgang konnte nicht glauben, was er hörte. Er wurde panisch. Das konnte doch alles nicht wahr sein? Er fasste sich ans Herz. Schon wieder dieses verdammte Herzrasen.
„Herr Moser, geht es ihnen gut?“
Er spürte einen Arm auf seiner Schulter.
„Trinken Sie etwas.“
Er spürte das kalte Wasser in seinem Mund. Er konnte kaum atmen.
Als er wieder zu sich kam, lag er auf dem Boden. Dr. Nikiforow stand über ihm.
„Geht’s wieder?“
Wolfgang stieß ihn beiseite und setzte sich langsam wieder auf. Er musste weg hier. Raus aus dieser verdammten Villa. „Welches Mädchen war es?“, ächzte er.
Dr. Nikiforow sah i hn verwundert an. „Dieses Mädchen hatte keinen Namen. Sie war ein Straßenkind wie Tausende andere auch. Niemand vermisst sie.“
„Irgendjemand erpresst mich. Irgendwer weißt etwas, verstehen Sie das nicht ? Mein Sohn ist weg.“
„Das hat nichts mit diesem Mädchen zu tun.“
Wolfgang stand auf. Fast rechnete er damit, dass ihn Dr. Nikiforow nicht gehen ließ, doch er folgte ihm nicht.
Wolfgang konnte ohne Weiteres das Haus verlassen. Er lief die Einfahrt hinab und übergab sich. Danach legte er sich auf den Rasen. In seinem Kopf drehte sich alles. Er fühlte sich wie in Watte gepackt. Bilder eines kleinen Mädchens kamen ihm vor die Augen. Ein Mädchen das sterben musste — wegen Alexander. Wegen seiner Selbstsucht. Ja, er wusste damals, dass es nicht ganz legal sei, aber er wusste doch nicht, dass sie Kinder töteten. Wer war dieses Mädchen? Was hat sie mit der Entführung meines Sohnes zu tun? Tausend Fragen kreisten in seinem Kopf.
Heute — Alexander Moser, ein Jahr nach der Entführung
Alexander Moser saß auf der Matratze und spielte mit der Playstation, die ihm Thomas geschenkt hatte. Leider
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