Zahltag
verabschiede ich mich und
mache mich auf den Heimweg. Inzwischen fühle ich mich viel gelassener als noch
bei meiner Ankunft. Ich habe es eilig, nach Hause zu kommen, um Adriani von
Sissis’ Taktik zu erzählen, mit der er Katerina bekehrt hat. Doch wie schon
erwähnt, kommt es immer anders, als man denkt. Sobald ich die Wohnungstür
hinter mir ins Schloss ziehe, höre ich Adrianis Stimme aus dem Wohnzimmer.
»Schnell, es gibt ein neues Schreiben!«
»Was für ein Schreiben?«
»Vom nationalen Steuereintreiber.«
Als ich an ihrer Seite Platz nehme, ist nur das altbekannte Trio zu
sehen: die Moderatorin, Sotiropoulos und der [343] Vizefinanzminister. Der
Minister für Bürgerschutz zieht verständlicherweise einen Platz hinter den
Kulissen vor. Leider stoße ich mitten in der Diskussionsrunde dazu und habe das
Schreiben verpasst.
»Bei unserem letzten Gespräch haben Sie vehement abgestritten, dass
der nationale Steuereintreiber eine Provision verlangt hat. Lag diese Forderung
während unseres Gesprächs schon vor?« Der Vizefinanzminister bleibt stumm. »Ich
frage Sie: ja oder nein?«, beharrt die Moderatorin.
»Ja, aber das Ganze war noch nicht spruchreif«, ringt sich der
Minister zu einer Antwort durch.
»Noch nicht spruchreif? Wollten Sie dem nationalen Steuereintreiber
den Vortritt lassen, um ihm nicht die Show zu stehlen?«, meint Sotiropoulos
spöttisch.
»Die Lage ist ernst, also lassen Sie bitte die Scherze«, erwidert
der Vizefinanzminister pikiert.
»Das sind keine Scherze«, hält ihm Sotiropoulos unnachgiebig
entgegen. »Weder, dass der Öffentlichkeit absichtlich Informationen
vorenthalten werden, während ein gefährlicher Gewaltverbrecher ungestört am
Werk ist, noch, dass die Medien vom Täter höchstpersönlich auf dem Laufenden
gehalten werden und nicht von den verantwortlichen Ministern und den
zuständigen staatlichen Behörden.«
Der Vizefinanzminister schweigt.
»Wie hoch ist die Summe, die der nationale Steuereintreiber
fordert?«, fragt ihn die Moderatorin.
»Das tut hier nichts zur Sache. Ausschlaggebend ist einzig und
allein, dass die griechische Regierung nicht erpressbar sein darf und keinem
Mörder Geld bezahlt.«
»Ja, aber wir wissen, dass der Griechische [344] Nachrichtendienst auf
dem Nymphenhügel einen Einsatz organisiert hat. Und ich frage Sie: Zu welchem
anderen Zweck, als dem Mörder die geforderte Provision zu übergeben?«
»Das habe ich Ihnen doch schon beim letzten Mal erklärt, Frau
Fosteri. Ich bin nicht befugt, zu Aktionen des EYP Stellung zu nehmen.«
»Gut, dann sehen wir mal, ob wir eine Antwort bekommen, wenn wir uns
direkt an die Verantwortlichen wenden.«
Zwei weitere Fensterchen öffnen sich. In dem einen ist Sifadakis zu
sehen, in dem anderen der Polizeipräsident, beide jeweils in ihrem Büro.
»Herr Sifadakis, stimmt es denn, dass der Griechische
Nachrichtendienst auf dem Nymphenhügel eine Operation durchgeführt hat?«, fragt
die Moderatorin.
»Ja, das ist richtig.«
»Was war das Ziel der Unternehmung? Eine Geldübergabe?«, fragt
Sotiropoulos.
»Nein, Herr Sotiropoulos. Ziel des Einsatzes war die Festnahme des
Mörders.«
»Und wieso wurde er nicht festgenommen?«
»Die Operation wurde akribisch geplant und durchgeführt. Doch wie es
ab und zu bei solchen Aktionen vorkommt, ist uns im letzten Augenblick etwas
dazwischengekommen.«
»Und was?«, fragt die Moderatorin.
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, weil ich dadurch dem Mörder,
der die Nachrichtensendung möglicherweise verfolgt, Insiderwissen preisgeben
würde.«
»Sind die denn so unfähig?«, wundert sich Adriani.
»Keine Sorge, wir sind auch nicht viel cleverer«, antworte ich, was
sich auch prompt bestätigt.
[345] »Herr Polizeipräsident, in welchem Stadium befinden sich die
Ermittlungen?«, fragt Sotiropoulos.
»Momentan befassen sich alle Einsatzkräfte der Polizei mit der
Festnahme dieses selbsternannten nationalen Steuereintreibers«, entgegnet der
Polizeipräsident. »Wir tun alles Menschenmögliche, doch für Ermittlungsarbeit
braucht man Zeit und Geduld, Herr Sotiropoulos. Wir werden ihn hoffentlich bald
aufspüren.«
Das werden wir keineswegs, denke ich mir. Der nationale
Steuereintreiber wird uns weiter auf der Nase herumtanzen.
An Sotiropoulos gewandt verkündet die Moderatorin: »Ich glaube, für
uns und die Fernsehzuschauer ist der Täter selbst die einzige zuverlässige
Informationsquelle. Diesbezüglich sollten wir uns sein
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