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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Hotel President auf mich, damit wir zusammen
zum Finanzamt Psychiko fahren, das für Loukas Sissimatos’ Firma zuständig ist.
Da sich der Verkehr ausschließlich in der Gegenrichtung staut, haben wir freie
Bahn.
    »Konnten Sie die Fakten überprüfen, die der nationale
Steuereintreiber in seinem Brief erwähnt?«, frage ich ihn.
    »Ja, sie stimmen alle.«
    »Kann es sein, dass er wieder eine Sicherheitslücke für sich
ausgenützt hat?«
    »Das halte ich für unwahrscheinlich, aber ganz ausschließen möchte
ich es nicht. Die logischste Erklärung wäre meiner Meinung nach, dass er
Sissimatos’ und Karadimos’ Daten bereits vorher besorgt hatte. Vielleicht
wollte er sie benutzen, um die beiden zur Zahlung ihrer Rückstände zu zwingen.
Und als er dann aufhörte, Steuern einzutreiben, hat er die Informationen unter
anderem Vorzeichen verwendet.«
    Dieser Gedanke leuchtet mir ein. Er hatte die Liste mit den reuigen
Steuersündern in Umlauf gebracht und plante, die Jagd auf säumige Zahler
fortzusetzen. Doch als er sich um seine Provision geprellt sah, änderte er
seine Taktik und begann, die Daten für Liquidierungen zu benutzen, die auch
noch andere Hintergründe hatten.
    [350]  Wir wenden uns direkt an den Leiter des Finanzamtes, der, als er
hört, dass Spyridakis vom Amt für Steuerfahndung kommt, aus seiner Antipathie
keinen Hehl macht. Er übersieht ihn geflissentlich und hält seinen Blick
ausschließlich auf mich gerichtet. Doch Spyridakis scheint solche Reaktionen
gewohnt zu sein und schert sich nicht darum. Damit jedoch Spyridakis nicht wie
gegen eine Wand reden muss, beschließe ich, den Anfang zu machen.
    »Herr Finanzdirektor, wir würden Ihnen gern ein paar Fragen
stellen.«
    »Es geht um Loukas Sissimatos, ich weiß«, unterbricht er mich. »Auch
ich habe gestern Abend die Nachrichten gesehen.«
    »Stimmt es, dass er dem Fiskus Steuern in Höhe von 900000 Euro
schuldete?«, mischt sich Spyridakis ins Gespräch.
    Der Leiter des Finanzamtes blickt ihm zum ersten Mal direkt ins
Gesicht. »Es stimmt, aber fragen Sie mich nicht, wie es der nationale
Steuereintreiber herausgefunden hat. Die Sicherheitslücke klaffte jedenfalls in
Ihrem System!«
    »Ich weiß, aber ich würde trotzdem gern Folgendes wissen«, erwidert
Spyridakis unbeeindruckt. »Wie ist es möglich, dass er eine so hohe Summe
schuldig war, seine Bankkonten jedoch nicht beschlagnahmt wurden?«
    »Alle paar Monate ersuchte er um Ratenzahlung, tilgte einen Teil
seiner Steuerschuld und stellte die Zahlungen dann wieder ein. Insgesamt ging
er vier- oder fünfmal so vor, genau weiß ich es selber gar nicht mehr.«
    »Ja, aber das Gesetz schreibt vor: Wenn der Steuerpflichtige die
Ratenzahlung nicht einhält, wird die Gesamtsumme fällig«, wirft Spyridakis ein.
    [351]  »Wir haben Anweisung, bei hohen Summen flexibel zu sein«,
entgegnet der Leiter des Finanzamtes.
    »Okay, doch können Sie mir erklären, wie Sissimatos mit einer so
hohen Steuerschuld eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt bekommt, mit
der er dann EU -Gelder aus dem Gemeinschaftlichen
Förderkonzept abkassiert?«
    Offensichtlich ist der Leiter des Finanzamtes auf diese Frage
vorbereitet, denn er hat die Antwort sofort parat. »Das wurde von einem
hochrangigen Regierungsmitglied angeregt.«
    »Wie hochrangig?«, fragt Spyridakis, während ich konkreter werde:
»Von wem?«
    Der Finanzdirektor blickt mich an. »Das kann ich Ihnen nicht sagen,
Herr Kommissar.«
    »Wieso nicht?«, frage ich.
    »Sagt Ihnen der Begriff ›Arbeitsreserve‹ etwas, Herr Kommissar?«
    »Ja, wie jedem Griechen.«
    »Ich habe nicht vor, Ihnen den Namen zu nennen, nur um dann mit
sechzig Prozent meines Gehalts in die ›Arbeitsreserve‹ geschickt zu werden. Ich
habe eine vierköpfige Familie zu ernähren.« Er hält inne und wartet auf eine
Reaktion meinerseits, die jedoch ausbleibt. »Hören Sie, Herr Kommissar. Gestern
Abend habe ich nach der Nachrichtensendung die ganze Nacht kein Auge zugetan,
weil ich wusste, dass man mir diese Frage stellen würde. Nenne ich Ihnen den
Namen, lande ich mit Sicherheit in der ›Arbeitsreserve‹. Behalte ich ihn für
mich, rette ich damit meinen Kopf, weil ich das Regierungsmitglied, das
interveniert hat, in der Hand habe.«
    [352]  Als er merkt, dass es uns beiden die Sprache verschlagen hat,
fährt er fort: »Aber lassen Sie mich eine dritte Lösung vorschlagen, die beiden
Seiten gerecht wird.«
    »Und die wäre?«
    »Da ich mich weigere, die Person zu

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