Zahltag
Falsches gesagt.
»Was gibt’s?«, wundere ich mich.
»In solchen Fragen sollten Sie auf mich und nicht auf Herrn Gikas
hören«, meint sie.
»Aber warum?«
»Weil Herr Gikas eine Schwäche für hübsche junge Frauen hat. Und
Mania zählt zu dieser Kategorie«, klärt sie mich unwillig auf.
Ihre Begründung bringt mich zum Lachen, doch eine [337] Viertelstunde
später bewahrheitet sich ihre Aussage, als nach einem kurzen Klopfen eine
großgewachsene, dunkelhaarige junge Frau mit blauen Augen zur Tür hereinkommt.
Sie ist einfach gekleidet und vollkommen ungeschminkt.
»Guten Tag, Herr Kommissar. Ich bin Mania Lagana«, stellt sie sich
vor.
»Setzen Sie sich. Ich brauche Ihre Hilfe.«
Dann gebe ich ihr eine allgemeine Einführung in den Fall, berichte
von der Vorgehensweise des nationalen Steuereintreibers, von den Morden und den
Opfern. »Sie könnten uns helfen, indem Sie uns ein Bild dieses Mannes zeichnen.
Wir wissen, dass er ganz allein agiert, doch das ist für unsere Ermittlungen zu
wenig. Wir wollen wissen, was für ein Mensch er ist, in welchen Kreisen er
verkehrt und womit er sich beschäftigt, so dass wir das Umfeld besser sehen, in
dem er sich bewegt, und dort unsere Recherchen intensivieren können, bis wir
auf irgendeinen Hinweis stoßen, der uns zu ihm führt.«
»Verstehe, Sie brauchen ein Täterprofil.«
»Genau«, stimme ich zu, ganz in Gikas’ Sinne. »Zu diesem Zweck
stellen wir Ihnen ein Dossier mit allen vorhandenen Informationen zur
Verfügung.«
Als ich Koula hereinrufe, begrüßen sich die beiden jungen Frauen
freundschaftlich, und ich ersuche meine Assistentin, Mania das vollständige
Material zur Verfügung zu stellen.
»Ich will Sie nicht hetzen, aber eins müssen Sie wissen: Wir sitzen
auf glühenden Kohlen«, beschreibe ich unsere Lage.
»Das ist mir bewusst. Herr Sechtaridis hat mir gesagt, ich soll
alles andere stehen und liegen lassen und mich nur auf Ihren Fall
konzentrieren.«
[338] »Koula weiß über alles Bescheid. Hier noch meine Handynummer. Sie
können mich jederzeit anrufen.«
»Gut, für alle Fälle hinterlasse ich Ihnen auch meine.«
Nachdem ich mir alles notiert habe, erkläre ich ihr, wo Koulas Büro
liegt. Daraus schließt sie, dass unsere Besprechung zu Ende ist, und erhebt
sich. An der Tür hält sie kurz inne und wendet sich noch einmal zu mir um.
»Wie geht es Katerina?«, fragt sie plötzlich.
»Sie kennen meine Tochter?«, frage ich erstaunt.
»Ja, wir haben zur gleichen Zeit in Thessaloniki studiert und waren
oft zusammen. Doch dann haben wir uns aus den Augen verloren, als ich nach dem
Tod meines Vaters nach Athen zurückgekehrt bin und mein Studium hier
fortgesetzt habe. Grüßen Sie sie bitte ganz herzlich von mir«, sagt sie, bevor
sie den Raum verlässt.
Ich greife sofort zum Telefon, um Katerina anzurufen. »Ich soll dir
schöne Grüße ausrichten«, sage ich.
»Von wem?«
»Von Mania.«
»Lagana?«, ruft sie überrascht. »Woher kennst du sie?« In kurzen
Worten erzähle ich ihr, wie ich Mania Laganas Bekanntschaft gemacht habe.
»Also, wenn sie als Polizeipsychologin so gut ist wie als Studentin,
dann habt ihr einen Glücksgriff getan.«
»Ich nehme es fast an, da alle hier von ihr schwärmen.«
»Hast du ihre Telefonnummer? Wir haben seit Jahren nicht mehr
miteinander gesprochen.«
Bevor wir das Gespräch beenden, gebe ich ihr die Handynummer durch.
Dank meiner Tochter, sage ich mir, habe ich bei Mania Lagana gute Karten.
[339] 44
Sissis trinkt seinen Mokka auf der »Galerie«, wie er die
kleine Veranda auf dem Treppenabsatz im oberen Stock seines Häuschens nennt.
Als er mich durch die Gartentür treten sieht, ruft er zu mir herunter: »Schön,
dass du kommst. Bringst du gute oder schlechte Nachrichten?«
»Gute«, erwidere ich, während ich den Garten durchquere und die
Treppe hinaufsteige.
Ohne weitere Umschweife komme ich zum Grund meines Besuchs. »Ich
wollte mich wegen Katerina bei dir bedanken«, sage ich. »Du hast uns allen eine
große Freude gemacht.«
»Als sie von hier wegging, spürte ich, dass ihre Entscheidung
gefallen war, aber etwas unsicher war ich mir trotzdem noch«, gesteht er ein.
»Wie hast du das bloß geschafft? Alle anderen haben sich vergeblich
bemüht, sie von ihren Plänen abzubringen.«
»Warte, ich mach dir erst einen Kaffee«, meint er, während er
aufsteht.
»Ach, den verschieben wir auf ein andermal.«
»Ich weiß schon, was ich tue. Das kann ich nicht so auf die
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