Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
Ihnen gewiss nicht zu nahetreten«, sagte ich, »aber das High-Society-Leben, das Sie von Kindesbeinen an gewohnt sind, hat Ihnen nicht den erforderlichen Hintergrund vermittelt, um Leute in meiner Sparte richtig zu beurteilen. Ich könnte Ihnen nämlich Geschichten von einem Mann mit dem Aussehen und Habitus eines Chorknaben erzählen, der einem Handlanger befiehlt, Ihnen das Herz herauszureißen, und dabei zusieht, ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Das scheint Ihnen schwer zu schaffen zu machen«, stellte sie fest.
»Ich will nur nicht, dass Sie sich selbst schaden, indem Sie sich in Dinge einmischen, von denen Sie nichts verstehen. Das ist alles«, murmelte ich. »Davon abgesehen will ich selbst auch keinen Schaden erleiden. Bleiben Sie bei Ihren Firmenfusionen oder archäologischen Ausgrabungen oder was auch immer Sie für Ihren Vater tun, Elaina Tera Cameron. Sie werden dann länger leben.«
Ich runzelte die Stirn bei der Assoziation, die ich plötzlich herstellte. »Elaina Tera Cameron«, wiederholte ich. »E.T.C. Wie in ›etcetera‹?«
Sie lächelte matt. »Sehr gut«, gratulierte sie mir. »Ja, mein Vater hatte sich einen kleinen Scherz erlaubt. Ich war das vierte von den drei Kindern, die sie geplant hatten. Aber die ersten drei waren Jungen, und Mama hatte immer ein Mädchen gewollt. Und Mama hat in der Regel immer das bekommen, was sie wollte.«
»Daher das ›etcetera‹?«
»Sie hatte es vier Jahre nicht einmal gemerkt«, sagte Tera. »Erst als ich schreiben lernte und meine Initialen überall hinkritzelte.«
»Ich könnte wetten, dass sie begeistert von Ihrem Vater war.«
»Eigentlich hatte sie sich hauptsächlich darüber geärgert, dass sie den Gag nicht erkannt hatte. Zumal Paps für solche Wortspiele berühmt war.«
»Und hatten Ihre Brüder auch solche Initialen?«
Sie zuckte die Achseln. »Wenn ja, dann waren sie so verquer, dass keiner von uns jemals dahintergekommen ist. Und Paps hat auch nie durchblicken lassen, ob ihre Namen ein Witzpotenzial hätten.«
»Das sieht ihm ähnlich«, sagte ich. »Er hat doch immer im Ruf gestanden, sich von niemandem in die Karten blicken zu lassen.«
»Nur wenn es notwendig war«, erwiderte Tera. »Und seiner Familie und guten Freunden hat er sie sowieso immer gezeigt.« Sie schaute an mir vorbei auf das Zugangsloch. »Wodurch das Ganze umso unbegreiflicher wird. Weshalb hätte er dort hineingehen sollen, ohne es mir zu sagen? Zumal er es allen anderen verboten hatte?«
»Vielleicht befürchtete er, dass ich ihm in den Hüllenzwischenraum folgen würde«, mutmaßte ich.
»Aber weshalb hat er mir nichts gesagt?«, fragte sie nochmals. »Es lagen doch anderthalb Tage zwischen diesem Ereignis und der Landung auf Potosi. Wenn er glaubte, dass er sich vor Ihnen hätte verstecken müssen, hätten wir das In dieser Zeit ausführlich besprechen können.«
»Oder er glaubte, ich würde vielleicht bei ihm ›hereinplatzen‹«, sagte ich. »Bedenken Sie, es gab keinen Ort im ganzen Schiff, an dem er sich sonst zu verstecken vermocht hätte.«
»Natürlich gab es den«, sagte sie. »Kabine Nummer zwei auf dem Oberdeck – diejenige, die Jones belegt hatte, bevor er starb. Nachdem Ixil den Öffnungsmechanismus entfernt hatte, um ihn für seine eigene Tür zu verwenden, wäre das ein ideales Versteck für ihn gewesen. Wir hatten ihn während der Zwischenlandung auf Potosi dorthin bringen wollen.«
»Wobei er durch die innere Hülle ein- und ausgegangen wäre?«, fragte ich. Ich spürte eine Wärme im Gesicht und hoffte, dass sie es mir nicht anmerkte. Wieder ein wichtiger Punkt, den ich völlig übersehen hatte. Obwohl ich zu meiner Verteidigung sagen musste, dass ich erst davon erfuhr, dass wir einen blinden Passagier hatten, als er schon wieder weg war.
»Ja – wenn er Bewegungsfreiheit brauchte«, sagte sie. »Wir konnten schwerlich das Risiko eingehen, dass einer der anderen ihn entdeckte, richtig? Wir hatten einen der Hüllenkonnektoren präpariert, damit er schnell rein- und raus konnte.«
»Aha«, sagte ich und kam mir nun absolut Nobelpreisverdächtig vor. Ich hatte den ganzen Hüllenzwischenraum von Steuerbord bis Backbord durchforstet, und ich war nicht einmal auf den Trichter gekommen, die innere Hülle auf lose oder fehlende Konnektionen zu überprüfen. »Aber er hat sich nie dort eingerichtet?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir hatten vor, ihn dort unterzubringen, während Sie damit zugange waren, die Medizin für Shawn aufzutreiben. Aber
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