Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
»Dar, Kinrick; ihr bleibt hier. Der Rest von euch kommt mit mir.«
Der Rückweg zur Ikarus schien diesmal viel länger zu dauern. Bruder John übernahm die Führung, wobei er von Everett und einem seiner Männer flankiert wurde. Hinter ihnen wurden Ixil, Tera und ich von den anderen drei angetrieben. Sie achteten darauf, dass wir einen Sicherheitsabstand von fünf Schritten zu den anderen einhielten – für den Fall, dass einer von uns plötzlich den Drang verspürte, Selbstmord zu begehen, indem er sie anzuspringen versuchte.
Es war nun richtig dunkel draußen. Dunkel und kalt, und das laue Lüftchen, das zuvor durch die Blätter gerauscht war, hatte zu einer steifen und unangenehmen Brise aufgefrischt. Steif und unbehaglich – so musste sich auch Tera fühlen, während sie in bitterem Schweigen neben mir her stapfte. Zweifellos gab sie mir die ganze Schuld an der Situation. Und ehrlich gesagt hätte ich ihr da auch kaum zu widersprechen vermocht.
Im Moment machte ich mir aber weniger Sorgen wegen der Kälte oder des schlechten Wegs, wegen Teras Ärger oder auch nur wegen der Waffe, die sich in meine linke Niere grub. Meine volle Aufmerksamkeit galt den Würfeln, die ich vor dem geistigen Auge über den Tisch rollen sah. Die Würfel waren gefallen, das Spiel war gemacht; und in wenigen Minuten würde ich herausfinden, ob ich gewonnen oder verloren hatte.
Eine schemenhafte Gestalt wartete in der offenen Luke, als wir die Ikarus erreichten und die Leiter hinaufgingen. Bruder John ging zuerst, gefolgt von seinem Leibwächter und Everett; dann kamen Tera, noch ein Wächter und Ixil. Die anderen zwei Wächter hoben mich bis zum Schluss auf und nahmen mich dann in die Mitte. So gingen wir die Leiter hinauf. Entweder hielt Bruder John mich für den Gefährlichsten der Gruppe; oder der Umstand, dass ich das Schiff manipuliert hatte, trug mir eine Sonderbehandlung ein.
Bruder John war schon hineingegangen, aber Tera und Ixil warteten noch, als ich die Verschalung erreichte – zusammen mit ihren Wächtern, der schemenhaften Gestalt, die ich dort hatte warten sehen, und noch zwei von seinen Kumpels. Wenn ich geglaubt hatte, dass die Leibwächter, die Bruder John in die Hütte mitgebracht hatte, groß, hässlich und gut bewaffnet waren, wurden sie von diesem Haufen in allen drei Belangen deklassiert. Stumm wedelten sie mit ihren Waffen, und genauso stumm gingen wir unter der Verschalung hindurch zur Hauptsphäre.
Die Luke zur Sphäre war geschlossen. Der vorangehende Gangster öffnete sie und ging hindurch, wobei er beim Wechsel in die andere Schwerkraft etwas aus dem Tritt kam. Tera und Ixil gingen als Nächste und bewältigten die Diskontinuität mit einer Gewandtheit, die aus langer Übung gewonnen war. Ich hielt die Luft an und folgte ihnen.
Die Sphäre sah mehr oder weniger noch so aus, wie ich sie am frühen Abend verlassen hatte – nur dass die Innenbeleuchtung voll aufgedreht war und noch einmal acht Fremdlinge uns finster anblickten. Vier von ihnen, aus der gleichen Baureihe wie unsere Eskorte, standen in einer lockeren Gruppe in der Nähe des Bodens der Sphäre; und drei andere machten sich fleißig am Steuerpult und der NaviKonsole zu schaffen. Bei ihnen handelte es sich anscheinend um den Piloten und die Triebwerksspezialisten, die die Ikarus inzwischen längst auf den Weg gebracht haben sollten.
Aber es war der achte Mann, dem meine ganze Aufmerksamkeit galt – der Mann, der am unteren »Totpunkt« der Sphäre wartete, als ob er der fremdartigen Schwerkraft nicht traute, die seine Techniker auf dem Deck auf halber Höhe der Sphäre festhielt. Er war ein kleiner Mann, zumindest im Vergleich zu den vier Leibwächtern, die ihn umstanden; und trotz der Anzeichen einer intensiven Verjüngungstherapie war er schon deutlich über das mittlere Alter hinaus. Er trug einen dunklen und teuren Anzug sowie dezenten und noch teureren Schmuck. Sein Gesicht war alt, sein Ausdruck war teilnahmslos, und seine Augen waren so tot wie bei einer Mumie. Obwohl ich diesem Mann noch nie zuvor begegnet war, wusste ich sofort, wer er war.
Die rollenden Würfel waren zum Stillstand gekommen. Und ich hatte gewonnen.
»Sie müssen McKell sein«, sagte der Mann, als Bruder John uns nach unten zu ihm führte. Seine Stimme war genauso tot wie seine Augen.
»Ja«, bestätigte ich. »Und Sie müssen Mr. Antoniewicz sein. Ich bin sehr erfreut, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Sind Sie«, sagte er. Manche Menschen, so sagt
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