Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
Das heißt, wenn man eine der einschlägigen Krankheiten hat.«
»Und?«, versuchte ich ihn aus der Reserve zu locken.
Er presste kurz die Lippen zusammen. »Ich habe die Krankheit. Aber nicht das Rezept.«
»Und weshalb haben Sie kein Rezept?«
Er lächelte verkniffen. »Weil ich das Pech hatte, mir die Krankheit auf eine leicht illegale Art und Weise zuzuziehen. Ich – nun, ich hatte vor ein paar Jahren mit ein paar Freunden einen kleinen Privatausflug nach Ephis gemacht.«
»Wirklich«, sagte ich. Jedoch war dieses Wort nicht das erste, das mir spontan einfiel; die volkstümliche Wendung dümmer, als die Polizei erlaubt hätte es an dieser Stelle wohl auf den Punkt gebracht. »Davon habe ich natürlich schon gehört. Eine verbotene Welt, nicht wahr?«
Sein verkniffenes Lächeln verwandelte sich in ein bitteres Lächeln. »Stimmt«, bestätigte er. »Und ich kann Ihnen jetzt auch sagen, dass alles, was Sie bisher über dieses Höllenloch gehört haben, ein geradezu idyllisches Stimmungsbild ist.« Seine Lippen zuckten. »Aber natürlich waren coole Collegeboys wie wir viel zu clever, als dass wir uns von der Obrigkeit ins Bockshorn hätten jagen lassen. Zumal wir auch fanden, dass die Bürokraten eh nicht das Recht hätten, uns vorzuschreiben, wohin die Reise geht …«
Er verstummte und zuckte konvulsivisch, bevor der Körper wieder in das leichte Zittern verfiel. »Man bezeichnet es als Cole’s Krankheit«, sagte er. Er klang plötzlich sehr müde. »Das ist überhaupt nicht lustig.«
»Das sind wohl die wenigsten Krankheiten«, sagte ich. »Aber sind die Vorschriften für verbotene Planeten wirklich so streng? Ich meine, dass Sie nicht einmal ein Rezept für Ihre Medizin bekommen?«
Er schnaubte leise, und für einen Moment durchbrach ein Anflug des alten Shawn die Mattigkeit und das Zittern – der arrogante junge Mann, der alles besser wusste und mit Verachtung auf Normalsterbliche wie mich herabschaute, die nicht klug genug, gebildet genug oder aufgeklärt genug waren. »Allein schon das Geständnis, dass ich auf Ephis war, würde mir zehn Jahre Gefängnis einbringen«, stieß er hervor. »Ich glaube nicht, dass ein garantierter Borandis-V orrat das wert wäre. Sie vielleicht?«
»Wohl kaum«, sagte ich und achtete darauf, auch recht betroffen zu klingen. Ich wusste nämlich, dass Leute wie Shawn oft nur schon aus dem Grund bereit waren, dunkle Geheimnisse preiszugeben, um den Beweis zu erbringen, dass sie solche Geheimnisse überhaupt hüteten. »Wie sind Sie also an das Zeug drangekommen?«
Er zuckte die Achseln, wobei die Bewegung durch die Gurte gehemmt wurde. »Es treiben sich immer irgendwelche Dealer in der Gegend rum – man muss nur wissen, wo sie zu finden sind. In der Regel ist das nicht allzu schwierig. Und sie sind auch nicht allzu teuer.«
»Und was passiert, wenn Sie das Medikament nicht bekommen?«, fragte ich. Ich wusste, was Drogen waren; ich wusste, was verbotene Welten waren; aber exotische Krankheiten gehörten nicht zu meinem einschlägigen Kenntnisstand.
»Es ist eine degenerative Erkrankung des Nervensystems«, sagte er mit leicht zuckenden Lippen. »Wie Sie sehen, haben die Zuckungen bereits eingesetzt.«
»Es liegt nicht nur am Borandis-Entzug?«
»Der Entzug spielt zwar auch eine Rolle«, fuhr er fort, »es ist aber schwierig, seinen Einfluss genau zu bestimmen – die Symptome vermischen sich sozusagen. Weitere Symptome sind Reizbarkeit, starke Stimmungsschwankungen, vorübergehender Gedächtnisverlust und generell ein hoher Aggressionspegel.« Wieder dieses bittere Lächeln. »Das ist Ihnen vielleicht schon aufgefallen, als ich auf Meima zum Schiff gekommen bin. Ich hatte damals auch eine Dosis genommen, aber etwas verspätet, so dass die Wirkung noch nicht eingesetzt hatte.«
Ich nickte und erinnerte mich daran, wie viel ruhiger -sogar freundlich – er ein paar Stunden später während Chorts missglücktem Außeneinsatz gewesen war. »Erinnern Sie mich daran, dass ich nicht in eine RaumhafenTaverne mit Ihnen gehe, bevor Sie Ihre Pille eingeworfen haben«, sagte ich. »Sonst würden wir beide schon nach ein paar Minuten die Grätsche machen.«
Er zitterte. »Manchmal glaube ich sogar, dass das auch das Beste wäre«, sagte er leise. »Auf jeden Fall ist es so: Wenn ich meine Dosis nicht bekomme, werde ich immer lauter und unberechenbarer und manchmal sogar gewalttätig.«
»Wird das auch noch durch das Zusammenwirken aus Entzug und Krankheit
Weitere Kostenlose Bücher