Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
und erst einmal versuchen, mich zum Schweigen zu bringen.
Und dann sah ich weit entfernt ein schwaches Glimmen – so schwach, dass ich zunächst nicht einmal sicher war, ob ich es mir nicht einfach nur einbildete. Mein erster Gedanke war, dass unsere Odyssee uns wieder in die Nähe meiner Kabine und der Lücke in der inneren Hülle geführt hatte. Doch als ich mir dann bewusst wurde, dass die Resultante der Gravitationsvektoren nicht mit dieser Position übereinstimmte, verschwand das entfernte Glühen auch schon wieder, und es ertönte ein dumpfer, metallischer Schlag. Ein Geräusch wie von zwei Metallstücken, die hohl aneinanderschlugen.
Das gleiche Geräusch, das ich nach meinem Gespräch mit Nicabar von der Verschalung gehört hatte, und dem ich nun schon seit fast zwei Tagen auf den Grund zu gehen versuchte.
Ich bewegte mich weiter, aber es hatte offensichtlich keinen Sinn mehr, sich zu beeilen. Mein Gegner hatte die ganze Zeit Katz und Maus mit mir gespielt und war nun durch sein Rattenloch wieder in die sichere Anonymität der Ikarus entschwunden. Wenn ich die Stelle erreichte, wo ich das Glühen gesehen hatte – vorausgesetzt, ich würde sie überhaupt finden –, hätte er die Konnektoren schon wieder angebracht, und dann wäre es wieder nur eine von siebzehntausend Platten der Innenhülle.
Ein paar Minuten später erreichte ich den Bereich, in dem ich das Glühen vermutlich wahrgenommen hatte. Wie erwartet glichen alle Hüllenplatten sich wie ein Ei dem anderen, und ich hatte noch immer keine Ahnung, wo genau ich mich befand. Ich wollte schon an dieser Stelle durchbrechen, doch dann erkannte ich auf den ersten Blick, dass man die Konnektoren der Hüllenplatten an dieser Seite nicht zu entfernen vermochte.
Aber vielleicht gab es eine andere Möglichkeit, meine Position hier zu markieren.
Ich hob die Taschenlampe über den Kopf und bestrich die Platten der inneren Hülle mit dem Lichtkegel, suchte das schier undurchdringliche Dickicht aus Rohrleitungen und Kabelsträngen ab, bis ich schließlich fand, wonach ich gesucht hatte: die typischen Stromkabel und das Koaxialkabel einer Gegensprechanlage, deren Enden einen halben Meter neben der Stelle, wo der Saboteur meiner Schätzung zufolge verschwunden war, in der inneren Hülle verschwanden.
Das Multifunktionswerkzeug hatte ich auf dem Boden der Kabine liegen lassen, aber der Kontaktstreifen des Akkus der Plasmawaffe war stabil genug für meine Zwecke. Ich brauchte auch nur ein paar Minuten, um die Stromkabel so weit abzuisolieren, dass die Litzen auf einer Länge von ein paar Zentimetern freigelegt wurden. Dann legte ich die Plasmawaffe beiseite und führte die blanken Drähte zusammen.
Es flogen keine Funken – dafür war die Stromstärke viel zu gering doch was der Aktion an pyrotechnischen Effekten fehlte, machte sie in puncto persönliche Befriedigung mehr als wett. Ich wusste nämlich, dass irgendwo in den Tiefen der Ikarus soeben ein Unterbrecher aufgrund des von mir verursachten Kurzschlusses ausgelöst worden war. Nun musste ich nur noch herausfinden, welcher Unterbrecher das war, und ich hätte die verdächtige Gegensprechanlage identifiziert. Und mit ihr das Rattenloch des Saboteurs.
Ich achtete darauf, dass die blanken Drähte miteinander in Kontakt blieben, und verdrillte sie so, dass sie sich nicht von selbst wieder lösen würden. Auf den meisten Sternenschiffen würde das Diagnoseprogramm des Hauptcomputers diesen Vorgang sofort registrieren und eine Wartungsanforderung in die Statusanzeigen der Brücke und des Maschinenraums einblenden. In Anbetracht des archaischen Computers der Ikarus bezweifelte ich jedoch, dass er über ein solches Programm verfügte. Doch selbst wenn es eins gab, hätte man die Drähte sowieso erst wieder entwirren müssen, um den Unterbrecher zurückzusetzen.
Nun stand ich nur noch vor dem Problem, zu meiner Kabine zurückzufinden und den Schaltkasten mit dem entsprechenden Unterbrecher ausfindig zu machen, bevor mein Widersacher mir auf die Schliche kam und den Kurzschluss behob.
Da ich mich nun nicht mehr auf einer Verfolgungsjagd befand, war die Navigation eine leichte, wenn auch etwas umständliche Angelegenheit. Ich hielt die Taschenlampe locker zwischen Finger und Daumen, bestrich damit die Kante der inneren Hülle und folgte ihrem Verlauf. So ermittelte ich, wo »unten« war und folgte dieser Richtung, bis weitere Messungen mit meinem improvisierten Pendel ergaben, dass ich mich am Südpol der Kugel
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