Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
ich die Lieferanten von Happy Glibber und anderen schädlichen Substanzen finden, wobei ich hoffte, dass wenigstens einer von ihnen auch Borandis im Angebot hatte.
Das Problem bestand natürlich darin, die passende Nadel im richtigen Heuhaufen zu finden. Unter normalen Umständen hätte das viel Zeit in Anspruch genommen, Zeit, die weder Shawn noch ich oder die Ikarus im Moment hatten. Ich musste die gefährliche und langwierige Suche also abkürzen und mich direkt an die Quelle begeben.
Zum Glück, oder vielleicht auch dummerweise, hatte ich die Fon-Nummer der besagten Quelle.
Das Display erhellte sich und zeigte dieselbe Ganovenvisage, die schon bei meinem letzten Anruf bei Bruder John ans Fon gegangen war. »Ja?«
»Hier ist Jordan McKell«, sagte ich. »Ich brauche ein paar Informationen.«
Die Falten in seinem griesgrämigen Gesicht vertieften sich, während er mich stirnrunzelnd ansah. »McKell?«
»Ja, McKell«, sagte ich und musste schwer an mich halten, um nicht die Geduld zu verlieren. Ich hatte bereits zwanzig Minuten von meinen versprochenen zwei Stunden verloren – zehn, um zum StarrComm-Gebäude zu gelangen, und noch einmal zehn mit dem Warten auf eine freie Zelle –, und ich hatte keine Lust, für ein Mitglied von Bruder Johns Knüppelgarde den Papagei zu spielen. »Ich habe mich getarnt, verstanden? Ich brauche ein paar Informationen …«
»Bleiben Sie dran«, unterbrach er mich. »Bleiben Sie für einen Moment dran.«
Das Display wurde dunkel. Ich warf einen Blick auf die Uhr und hatte die Nase von Bruder John und seiner ebenso bösartigen wie hirnlosen Truppe plötzlich gestrichen voll. Der Nächste in der Leitung wäre wahrscheinlich dieser pausbäckige Gangster im Butler-Outfit, der inzwischen wohl herausgefunden hatte, was Mutterwitz war, und noch mehr von meiner Zeit verschwenden würde, indem er versuchte, mich damit zu erfreuen.
Der Bildschirm erhellte sich wieder, aber zu meiner Überraschung war es doch nicht der Butler. »Hallo, Jordan«, sagte Bruder John. Die Stimme war so ruhig wie immer, aber das übliche engelsgleiche Lächeln fehlte diesmal. »Haben Sie überhaupt eine Ahnung, welchen Aufruhr Sie an diesem Ende der Spirale verursacht haben?«
»Habe ich das, Sir?«, fragte ich.
Die kühle Aura, von der er sichtlich umwabert wurde, fiel plötzlich unter den Gefrierpunkt. »Spielen Sie hier nicht das Unschuldslamm, McKell«, knurrte er, und seine Fassade der Kultiviertheit bekam Risse wie eine morsche Holzkiste. »Da ist ein Schiff von Meima in aller Munde -ein Frachter auf Abwegen, hinter dem die Patth her sind wie der Teufel hinter der armen Seele. Sie können es kaum erwarten, das Schiff in ihre schwieligen kleinen Hände zu bekommen. Wollen Sie mir etwa weismachen, dass Sie damit nichts zu tun hätten?«
»Doch, Sir, habe ich«, beeilte ich mich zu sagen. Es war unmöglich, in einer StarrComm- Fon-Zelle angemessen kriecherisch zu erscheinen; doch sofern man kriecherische Demut auch in die Stimme zu legen vermochte, versuchte ich nun vor ihm zu kriechen wie ein Weltmeister. »Es tut mir leid, so habe ich das nicht gemeint. Ich war mir überhaupt nicht bewusst, dass wir einen solchen Aufruhr verursacht haben.«
Die Temperatur blieb unter dem Gefrierpunkt. »Ich mag keine Unruhe, McKell«, warnte er mich. »Ich mag das überhaupt nicht. Unruhe zieht Aufmerksamkeit auf sich, und ich mag keine Aufmerksamkeit. Und Sie sollten lieber auch keine Aufmerksamkeit mögen.«
»Ich weiß, Sir«, pflichtete ich ihm demütig bei. »Glauben Sie mir, ich werde alles daransetzen, um wieder aus dem Rampenlicht zu verschwinden.«
»Und wie wollen Sie das bewerkstelligen?«, fragte er unwirsch. »Es ist weder Ihr Schiff noch Ihr Problem -hauen Sie einfach ab. Wo stecken Sie überhaupt? Ich werde Sie abholen lassen.«
Es klang plausibel, was er sagte. Zumindest halbwegs. Es war zwar nicht mein Schiff – aber es war trotzdem mein Problem. »Das kann ich nicht machen, Sir«, sagte ich und rüstete mich für einen neuerlichen Wutausbruch. »Ich bin schließlich einen Vertrag eingegangen, das Schiff an einen Bestimmungsort zu bringen. Ein armer, aber ehrlicher unabhängiger Schiffer kann nicht einfach so aus einem Vertrag aussteigen. Nicht, wenn er den Anschein eines armen, aber ehrlichen Schiffers weiterhin aufrechterhalten will.«
»Und wer sollte jemals davon erfahren?«, erwiderte er. Seine Stimme war noch immer hart und kalt, aber wenigstens hatte er mich nicht wieder angeschrien.
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