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Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus

Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus

Titel: Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Zahn
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es durchaus möglich, dass er den Tod eines kranken Besatzungsmitglieds billigend in Kauf nahm. Entweder als eine Lektion für mich oder als zusätzliches Druckmittel, um mich der ganzen Situation zu entziehen. Falls er in diese Richtung tendierte, würde ich ihm begreiflich machen müssen, dass durch Shawns Tod die Ikarus erst recht ins Fadenkreuz des öffentlichen Interesses geraten würde.
    Er blieb für eine lange Zeit weg. Ob er vielleicht zu dem Schluss gelangt war, dass diese Sache den ganzen Ärger nicht wert sei, dass Shawn und ich verzichtbar seien, und dass er bereits die entsprechenden Arrangements traf. Ich zog schon in Erwägung, zum HandFon zu greifen und mich zu erkundigen, ob Ixil wieder aus dem Koma erwacht war, als das Display sich plötzlich wieder erhellte.
    »In Ordnung«, sagte er energisch. »Er ist ein Drilie namens Emendo Torsk, und er betreibt sein Geschäft an einem Straßenmusikstand an Gystr’n Corner. Ich gehe davon aus, dass Ihr krankes Besatzungsmitglied auch zahlen kann?«
    »Ja, wir müssten genug zusammenbekommen«, versicherte ich ihm. »Vielen Dank, Sir.«
    »Rufen Sie hier nicht wieder an, Jordan«, sagte er leise. »Nicht, bis das alles vorbei ist. Klar?«
    »Jawohl, Sir, vollkommen klar«, sagte ich. Falls die Ikarus aufflog und ich so dumm wäre, zusammen mit ihr aufzufliegen, wollte er weder mit dem Schiff noch mit mir in Verbindung gebracht werden. »Vielen Dank, Sir.«
    »Wir sprechen uns wieder, wenn die ganze Sache vorbei ist.« Er griff zur Seite, und die Verbindung wurde unterbrochen.
    Ich schluckte und merkte erst jetzt, dass mein Mund ganz trocken war. Der Umgang mit Bruder John wurde ein immer größeres Problem für mich – einmal wegen seines persönlichen Gebarens und dann wegen dem, wofür er stand. Zumal ich sowieso nicht behaupten konnte, dass ich mit unserem Arrangement jemals besonders glücklich gewesen wäre; doch in letzter Zeit hatte mein unterschwelliger Widerwille sich zu einem enormen Ekel gesteigert.
    Und das war gefährlich. Nicht nur deshalb, weil es mir gefühlsmäßig zuwider war und außerdem Gift für meine Seele – ganz zu schweigen davon, dass es mir auf den Magen schlug –, sondern weil Leute wie Bruder John ein sehr feines Gespür für Menschen haben. Vor allem für die Menschen in ihrer Nähe. Ich gehörte zwar nicht zu seinem engsten Kreis und war nur ein kleiner Angestellter von Tausenden, aber die Antoniewicz-Organisation war nicht deshalb so mächtig geworden, weil sie es zugelassen hätte, dass die Unzufriedenheit selbst unbedeutender Mitarbeiter sich bis zu dem Punkt steigerte, wo sie in die Kasse griffen, Firmeneigentum stahlen oder Geheimnisverrat begingen. Insbesondere Geheimnisverrat.
    Bruder John machte sich wahrscheinlich keine Illusionen bezüglich meiner Beweggründe, für ihn zu arbeiten. Ich hatte schon gesehen, mit welcher Raffinesse er dafür gesorgt hatte, dass diese Schuld in Höhe von einer halben Million commark für lange Zeit wie ein Damoklesschwert über mir schweben würde. Doch falls es ihm jemals gelang, einen Blick hinter meine Maske zu werfen und den dort tobenden emotionalen Aufruhr zu sehen, würde er höchstwahrscheinlich zu dem Schluss gelangen, dass ich eine tickende Zeitbombe sei, die entschärft werden müsse.
    Im Moment blieb mir jedoch nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Wie man sich bettet, so liegt man, heißt das Sprichwort – und ich hatte mein Bett ordentlich gemacht, um es jetzt möglichst bequem darin zu haben.
    Nur dass es im Moment mit der Gemütlichkeit nicht weit her war. Ich hatte gerade erst ein äußerst unangenehmes Gespräch mit Bruder John geführt, und nun musste ich das erledigen, was ich schon auf mindestens drei Welten versäumt hatte.
    Es wurde Zeit für eine ausführliche, nette Plauderei mit Onkel Arthur.
    Der »Anrufbeantworter« von Onkel Arthurs Vid-Fon war eine gut gelaunte Frau; und wenn sie auch nicht im eigentlichen Sinn schön war, so tendierte sie zumindest in diese Richtung. Und es war ein Unterschied wie Tag und Nacht zwischen ihr und Bruder Johns mürrischem männlichem Fon-Fuzzi mit dem durch plastische Chirurgie restaurierten Gesicht.
    Aber auch nur, bis man ihr einmal in die Augen schaute. Trotz ihres attraktiven Äußeren, trotz ihres gewinnenden Lächelns und der freundlichen Aura verrieten diese Augen doch Kälte, Berechnung und sogar Brutalität. Ich hatte schon seit langem die Vermutung, dass nur die entsprechenden

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