Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
Planung durcheinanderbringt. Ist das klar?«
»Klar«, sagte sie so verschüchtert, wie sie bisher noch nie geklungen hatte. Im ersten Moment wollte ich sie noch weiter zur Minna machen, doch dann sagte ich mir reumütig, dass es wahrscheinlich gar nicht ihr Fehler gewesen war, und hielt den Mund. Möglicherweise konnte überhaupt niemand etwas dafür. Ixil hätte gewusst, was zu tun gewesen wäre; doch Ixil lag in seiner Kabine im Koma, und es war völlig klar, dass keiner der anderen auch nur annähernd über unsere Erfahrung bezüglich solcher Vorkommnisse verfügte.
Also reagierte ich meine Frustration an der Karte ab, die ausgebreitet neben mir lag. Ich faltete sie mit einem viel höheren Krafteinsatz zusammen, als eigentlich nötig gewesen wäre, und stopfte sie in die linke Seitentasche des Jacketts.
»McKell?«, sagte Tera plötzlich mit gepresster Stimme. »Ich glaube, es kommt ein Polizeiauto in unsere Richtung. Es ist rot und blau, hat ein Blaulicht eingeschaltet und fährt sehr schnell.«
»Keine Sorge«, sagte ich ihr. »Das ist ein Taxi, in dem ich sitze. Geben Sie mir die Richtung an?«
Einen Häuserblock entfernt sah ich sie auf den Gehweg treten und die Hand heben – und ich hatte die Vision einer Göttin, wie sie dort in ihrem modischen Strubbel-Look stand. Ich lotste den Fahrer zu ihr, ließ beim Aussteigen zwei Hundert-commark-Scheine auf den Beifahrersitz fallen und zog Tera schnell vom Straßenrand weg – genau in dem Moment, als er so schnell wieder davonraste, dass das Wasser auf der Fahrbahn aufspritzte.
»Da«, sagte Tera und deutete auf die andere Straßenseite.
»Ich sehe ihn«, erwiderte ich. So wie Shawn sich vor dem Eingang des Geschäfts aufführte, wäre er auch kaum zu übersehen gewesen. Er kasperte herum und belästigte die Leute. Ich fasste Tera wieder am Arm und bahnte uns durch den dichten Verkehr einen Weg zu ihm.
Nach allem, was bisher geschehen war, verlief seine Ergreifung eher unspektakulär. Shawn war überhaupt nicht in der Verfassung, seine Umwelt wahrzunehmen; er flehte die Passanten an, schrie sie an und verfluchte sie, wobei das feuchte Haar ihm das halbe Gesicht verdeckte. Tera und ich hätten auch in einem Panzer auf ihn zurollen können, ohne dass er etwas gemerkt hätte. Also näherten wir uns ihm einfach aus entgegengesetzten Richtungen und packten seine Arme. Er versuchte sich unserem Zugriff mit einem Kraftakt zu entziehen, aber er war schon stark geschwächt, und nach diesem einen Fluchtversuch blieb er einfach stehen und schüttelte sich in unserem Griff.
Wir führten ihn von der Tür und dem Strom der Fußgänger weg in den schmalen Durchgang zwischen dem Ausstatter und dem angrenzenden Gebäude, wobei Tera ihm die ganze Zeit beruhigend ins Ohr murmelte. Als wir uns den Blicken der Öffentlichkeit so weit wie möglich entzogen hatten, holte ich die Box hervor und verabreichte ihm eine der Borandis-Kapseln. Er schien aber Schwierigkeiten zu haben, sie einzunehmen – bis Tera schließlich etwas Regenwasser in den Händen sammelte und er die Kapsel damit runterschluckte.
Die Wirkung war erstaunlich. Das Zittern ließ beinahe im selben Moment nach, und nach ein paar Minuten machte er fast schon wieder einen normalen Eindruck.
Zumindest körperlich. »Sie haben sich aber ganz schön Zeit gelassen«, knurrte er und schob sich schwer atmend und hektisch das nasse Haar aus dem Gesicht. »Wo zum Teufel sind wir überhaupt? Sie sagten doch, dass wir nach Mintarius fliegen wollten. Das ist aber nicht Mintarius. Das weiß ich, denn ich bin schon einmal dort gewesen.«
»Planänderung«, sagte ich lapidar und schaute ihm in die Augen. Die Pupillen, die noch stark geweitet waren, als wir ihn ergriffen hatten, schienen wieder auf ihre normale Größe zu schrumpfen.
»Na klar, bei dieser Planänderung hätte ich auch draufgehen können«, sagte er schroff. »Haben Sie daran schon einmal gedacht? Dieser Ort muss doch mindestens drei Flugstunden weiter entfernt sein als Mintarius.«
»Nein, nur zwei«, sagte ich. Ich fand, dass er in seiner jetzigen Verfassung wieder reisefähig war; und wenn nicht, wären wir trotzdem aufgebrochen. Je eher er wieder an Bord der Ikarus und an einem Ort eingesperrt war, wo ich mir nicht mehr seine Tiraden anhören musste, umso besser. Ich fasste ihn am Arm und zog ihn zur Durchgangsstraße.
»Moment mal – wozu die Eile?«, knurrte er und widersetzte sich meinem Zug. Er kam auch erstaunlich schnell wieder zu Kräften. »Wir
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