Zander, Judith
aber
rausgekriegt, wer die Sahne klaut, und denn haben sie da so eine Leine
hingespannt und dadran die Schöppkellen vonne Sahneklauer mit Name und Adresse
dran aufgehängt, und der Haase war auch dabei, Martha ihr Fritz, der hatte die
Sahne an sone verwöhnte Cousine von Marthas Mutter inne Stadt verhökert.
Aber das war ja noch gar nix
gegen die Überfälle, wenn sie die Molkerei ausgeraubt haben, zwei- oder dreimal
is das passiert, dass da eingebrochen wurde und morgens am hellichten Tag die
Bauern verkloppt wurden, wenn sie grad die Milch brachten, und einem haben sie
sogar sein Pferd geklaut, und keiner wusst, wers war, irgendsolche
Dahergelaufenen, die waren doch nich äussern Dorf. Und hat sich ja auch erst
keiner richtig aufs Feld getraut, besonders die Frauen nich, wegen diese ganzen
Rumlungerer und auch wegen die Soldaten. Nich mal du bist alleine gegangen,
Anna, du hast dir auch immer paar von deine Flüchtlinge mitgenommen, bis Theo
wieder da war und später dein Vater. Der is wiedergekommen, wo nu schon keiner
mehr mit gerechnet hatte, das war ja schon bald an Fuffzig ran. Und wie er das
überhaupt geschafft hatte, er könnt doch erst gar nich richtig vorwärtskommen
mit sein offenes Bein. Aber denn hat er sich doch noch mal aufgerappelt, und
das Zähe, Anna, ich glaub, das hattst du von ihm.
Da hätt dein Theo sich nu eine
Scheibe von abschneiden können, aber denn hatte er nix Besseres zu tun, als
deinem Vater sein Land abzuschwatzen, was er ja aber nich geschafft hat, und
das lag ihm schwer im Magen. Wie das anfing mit der LPG, da hat er deinem Vater
egaleweg damit inne Ohren gelegen, ob er nu nich auch sein Land abgeben will,
aber der wollt nich, dein Vater. Da war er stur, obwohl er sich ja denken
könnt, dass das Ärger geben würd, woanders war Mord und Totschlag dadrum, na,
was man so gehört hat, da könnt einem angst und bange werden. Wie sie das nu
den Leuten beibringen wollten, dass sie ihnen den lütten Zippel vonne Wurst,
den sie gekriegt hatten, nu gleich wieder wegnehmen wollten. Ich mein, wir
haben das denn ja auch gemacht, was sollten wir mit das Stück Acker, Simon
hatte ja auch ein ganz gutes Gehalt als Tierarzt, bloß dem ollen Schorschki
wurd das bisschen schwer, dass das nu nich mehr ihm gehörte, da hatte er ja
immer viel Wert drauf gelegt, auf sein Eigentum, aber was wollten wir uns da
Scherereien machen lassen wegen nix und wieder nix. Aber wie das losging, da
wurd uns erst klar, was das für welche waren, die wir da gewählt hatten
sechsundvierzig, das könnt ja nachher gar keiner mehr verstehen, dass wir da
alle SED gewählt hatten, und ich weiß auch gar nich mehr, wieso. Aber ich
glaub, das hing auch damit zusammen, dass die gesagt hatten, sie wollen die
Ostgebiete nich abtreten, und da dachten ja nu die Flüchtlinge, sie würden denn
wieder zurückkönnen, und wir haben das auch gedacht, dass wir denn wieder unsre
Ruhe hätten. Na, Schietebaubau. Schön behumpst haben sie uns da. Denn dürft man
ja nich mal mehr >Pommern< sagen oder Vorpommerns das war richtig
verboten. Ich weiß noch, wie ich grad Hartmut gekriegt hatte, dass Simon in die
Stube kam und sagte: »So, nu wohnen wir in Mecklenburg, Bezirk Neubrandenburg.«
Ja, aber das war eigentlich
ein gutes Jahr, zweiundfünfzig, für uns beide, Anna. Wo wir nu beide mit unsre
dicken Bäuche rumgelaufen sind, und oft auch zusammen, und manchmal bloß so,
zum Spazieren, da waren wir viel zusammen, da kann ich mich noch gut dran
erinnern. Das war noch mal fast wie früher, wenn wir uns anne Hände gefasst
hatten und immer die Dorfstraße rauf und runter sind und geschnattert und
geschnattert haben. Wo sie uns »Annamaria« genannt haben. Und da hatt ich so
das Gefühl, dass nu vielleicht ein schönes Leben losgehen würd, dass wir uns nu
irgendwie, na - einiger wären oder so, wo du nu auch bald eine eigne Familie
haben würdst, ein eignes Kind, das wurd ja auch Zeit bei dir, fünf Jahre
verheiratet und noch kein Kind, da gab das schon Gerede drüber. Und ich wusst
bei mir auch irgendwie, irgendwie hab ich das gewusst, dass das nu endlich ein
Junge werden würd, dass Simon nu zufrieden war und vielleicht bisschen Ruhe
geben würd, und das klappte denn ja auch. Und bei dir hab ich das auch gedacht,
dass du einen Jungen kriegen würdest, und das war vielleicht auch besser
gewesen. Das hätt denn ja ein Spielkamerad für Hartmut werden können, das hatt
ich mir so ausgemalt. Denn hätt er später vielleicht nich diesen
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