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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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bürgerlicher
Eloquenz zu mir hin- und von der Marschparole ihres Vaters abzuziehen, allein,
Margot war eine dumme Trine. Margot, mein Gott. Aszendenten! Verzeichnet als
mein Vater und mein Großvater in unserem Stammbuche. Ausgegangen bin ich aus einer
Dynastie von Notaren, denen es gar wohlgefällig und ascending gewesen wäre,
hätte ich mich bequemt zu erfüllen das von der wassergrünen Zigeunerin in meine
Hand gelesene Schicksal, nämlich zu werden ein Absolvent der Jurisprudenz, ein
Richter gar. Grüne Nixe, Wasserfrau, hinabziehen wollte sie mich in ihr nasses
Reich vorzeitigen Todes, eintauchen glaubte sie zu können in mich und
hervorzerren lange Algen, die mir einwuchsen seit zartester Jugend. Immer
gedachte ich mit ihnen einzufangen die Bösewichte, immer zu peitschen die
Tunichtgute und Sportlehrer, immer zog ich am linken Ärmel, wenn der rechte
länger war, stieß mir den rechten Fuß, wenn der linke schmerzte. Alles konnte
ich ertragen, nur die Ungleichheit nicht, und damit nichts. Denn war nicht
alles ungleich, ungerecht, aus den Verfugungen wie die blauweißen Fliesen im
Bad seit dem letzten Kriege, ein Makel, den zu bemerken mit einer Bemerkung als
blasphemisch gegolten hätte, denn allein zu preisen galt es den Fortschritt
eines Badezimmers überhaupt samt seiner Fliesen, wo doch ringsum nur
Rückschritt und Waschküchen herrschten. Und war ich nun gekommen, sie
einzurichten, diese keramische Welt? War ich nicht. Nichts lag mir entfernter,
Zuständigkeit war etwas, das man nicht begehren konnte im Staate D.
    Auch hatte ich zuerst wohl
noch bei mir gedacht, es sei um der sportlichen Betätigung willen und zur
Abschüttelung der Studierstubensteifheit von den adoleszenten Gliedern, als ich
annahm den Posten des Schiedsrichters in der universitären Fußballerei. Kein
bisschen verdächtig erschien es mir, parteilos und trillernd in den Grenzen
des grünen Gevierts mich zu bewegen, zu bewegen und nur zu bewegen. Wie eines
Märchens nur gedachte ich noch hin und wieder der falschen Zigeunerin, wie
eines Dornröschenfluches, den es enttäuschend wenig Mühe gemacht hatte
abzuwenden. Hatte man sich nicht bloß zuwenden müssen der Theologie und
überwinden den notariellen Willen des Vaters und nichtbeglaubigten des
Großvaters selig, der gerade ob seiner Nichtanwesenheit, sondern Übergeordnetheit
- so viel Glauben immerhin war ihnen gegeben - als ein argumentum auctoritatis
herhalten musste?
    Eines Nachmittags aber, kurz
vor dem finalen Pfiffe in einer ereignisfreien Partie, wetterleuchtete es
gleich wie von einem heiligen Blitze in meiner Gehirnkammer. Ich konnte kaum
sagen, ob es Schrecken oder Erleichterung war, was mich der Tranigkeit dieses
Spiels und meiner eigenen nicht eher als zur sechsundneunzigsten Minute ein
Ende machen ließ. Tor! Potz-blitz! Ein zigeunerverschlagener Schuss von der
Mittellinie, und der Ball zappelte und zappelte im Netz meiner Nervenbahnen.
Ich konnte mich eines Lächelns nicht erwehren. Dies also hatte das Weib
gemeint? So sollte es ihr gegönnt sein. Ich könnte wohl ohne Schaden zu nehmen
ein solcher sportlicher Richter sein bis ans Ende meiner Tage. Auch könnte ich
unbehelligt jederzeit fahren lassen diese Tätigkeit. Diese befriedigenste aller
vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Tätigkeiten. Nein, nicht war ich Schiedsrichter, noch werde ich es sein, ich bin es. Ja, ich liebe sie, die
gelben Kärtchen, die roten, die Effektivität meiner Pfeife, das Sortieren der
Spieler in immer ausgefeiltere Kategorien. Für die Flüchtigkeit des Moments
nach dem Abpfiff, wenn alles in eine kurze Erstarrung, eine winzige,
unbeobachtbare, zu verfallen scheint, bevor der Wechsel in die Gelöstheit, auch
Aufgelöstheit und die Zivilbewegung der Gliedmaßen erfolgt, erwog ich ein
Aufhören mit dieser Beschäftigung, wohl um die Prophezeiung endgültig den
Sphären der Gegenstandslosigkeit zuzuführen, und recht so, als hätte es sich
dabei wirklich um einen Gegenstand gehandelt, ein Schüsselchen, Schlüsselchen,
das ich wegwerfen konnte nach Belieben. Selbigen Augenblickes aber wurde mir
offenbar, dass es vorerst besonnener sei, im Amte des Schiedsrichters zu
verbleiben, allein aus plötzlicher Furcht, mit Ablegen dieses harmlosen endlich
doch noch ein anderes Amt heraufzubeschwören. Tor, ich! Nicht nur, dass ich
mich in feiger Verkennung meiner selbst geübt hatte, ich besaß nicht einmal
die Courage, diese Feigheit auch bis zu ihrer notwendigen Konsequenz zu führen
und

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